Von Kanonen und Spatzen: Effizienz in der Dokumentation 18.04.201803.11.2018 Über eine Anforderung an die Dokumentation stolpert fast jeder, der in diesem Berufsumfeld bei steigendem Termin- und Kostendruck unter zunehmendem Personalmangel leidet: Effizienz. Bitte nicht!, denken Sie? Zu teuer? Keine Zeit? Kommt drauf an. Leidgeprüfte Technikredakteure kennen den schwärmerischen Ausdruck in den Gesichtern von Kollegen, die sie auf Messen oder ähnlichen Veranstaltungen treffen, wenn vom enormen Einsparungspotenzial durch das Redaktionssysteme X, Y oder Z die Rede ist: „Wir haben mit System X mindestens 90% eingespart!“ -„Seit wir das System Z benutzen, schaffen wir es endlich, unseren engen Terminplan zu halten!“ – „Wenn wir Y nicht hätten, würden wir mit dem alten Programm FrameWord [Name von der Redaktion geändert] unseren Terminen mindestens zwei Monate hinterherlaufen!“ Sobald jedoch die Frage nach dem Preis und der aufgewendeten Vor- und Nacharbeit aufkommt: Grillenzirpen… Mit der Anschaffung einer komplexen Software ist es ja nicht getan: das Personal muss geschult und die Ausgabe muss angepasst werden, bestehende Dokumentation muss migriert, Übersetzungsläufe und Layouts angepasst, Datenbanken eingerichtet und die Information muss strukturiert und modularisiert werden. Das kostet nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Das geht oft ans Eingemachte, muss aber sein, weil sonst das ganze System nicht funktioniert. Vor allem nicht mit der versprochenen Effizienz. Spätestens an dieser Stelle steigen die kleineren Unternehmen aus, denn oft ist Ihnen gar nicht bewusst, wieviel Geld sie an welcher Stelle im bereits bestehenden Prozess ausgeben – und wo demzufolge überhaupt Einsparpotenzial liegt. Ein Redaktionssysteme ist nämlich nur die Spitze des Eisbergs, quasi die technische Umsetzung von Dokumentationsprozessen, der größte Teil des Potenzials liegt aber unterhalb der Wasseroberfläche. Es ist natürlich nie verkehrt, die Investition in ein Redaktionssystem als Anlass zu nehmen, tatsächlich alle etablierten Prozesse auf ihr Verbesserungspotenzial (Zeit, Personal und Kosten) abzuklopfen, aber der Anlass ist damit nicht auch das Ziel. Manchmal lassen sich Prozesse nämlich viel einfacher und damit kostengünstiger umstellen, ohne dabei mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Im Gegenteil, die Einführung und damit verbundenen Anpassungen an ein „durchmodularisiertes“ System mit hochgradig automatisiertem Output kann den gesamten erstrebten Gewinn bei Kosten, Zeit und Nerven ad absurdum führen. Nicht zu optimieren kostet – ein Zuviel davon aber auch. Für Außenstehende ist die Technische Dokumentation ein Buch mit sieben Siegeln, eine „Black Box“: Ein Konvolut aus un- oder missverständlichen Texten, Tabellen, Überschriften und Bildern, mit einem Titel und ein paar Telefon- und Seriennummern. Dieses Sammelsurium „zusammenzunageln“ hat mindestens einen Mitarbeiter viel Arbeit gekostet – nicht nur beim Schreiben, sondern vor allem beim Sammeln, Recherchieren, Kontrollieren und Kommunizieren. Tatsächlich ist es nämlich so, dass eben genau jene Zusammenstellung der Informationen (die oft stark einer „Schnitzeljagd“ bei Kindergeburtstagen ähnelt) sogar mehr Zeit in Anspruch nimmt als die „eigentliche“ redaktionelle Tätigkeit des Schreibens, Formulierens und vielleicht auch noch der Grafikbearbeitung. Und genau hier steckt oft auch das Optimierungspotenzial, das ohne große finanzielle Anstrengung genutzt werden kann. Die Frage ist daher, ob sich mit wenigen kostengünstigen Maßnahmen nicht auch bereits besser – sprich: effizienter – arbeiten lässt, ohne dabei in Schuhe zu schlüpfen, die mindestens eine Nummer zu groß sind. Bevor man ans Umstellen geht, sollte man sich natürlich zunächst die Prozesse anschauen, die den meisten Aufwand verursachen. In der Technikredaktion gibt es davon gar nicht so viele: Recherche und Kommunikation Änderungen und Nacharbeit Das Sammeln der benötigten Informationen ist tatsächlich ein Faktor, der meist schon aufgrund der Dauer und nicht definierter Kommunikationsprozesse (E‑Mail, Papier, Flurfunk, Telefon) zu einem Berg teilweise widersprüchlicher Informationen führt, der irgendwie eingeebnet werden muss, um die Übersicht zu behalten.1 Hier kommen jetzt die Tipps Zum Sammeln aller Informationen – auch denen, die per Mail aufgelaufen sind – sollte man sich angewöhnen, eine digitale Kladde anzulegen: OneNote, Evernote, … (siehe auch hier: Evernote – der Überallnotizblock) Nur dann gibt es bei der Suche nicht mehrere Quellen, sondern nur eine. Vor allem, wenn mehrere Medien zu einem Thema verwendet werden („Ich beantworte Ihre Mail am besten am Telefon…“). Da sich die Kommunikationskanäle kaum einschränken lassen, muss die Information an einer Stelle gebündelt werden. Sonst ist sie weg. Die Pflege eines realistischen Zeitplans: Ob man nach GTD vorgeht oder einem anderen System, spielt keine Rolle, solange man nur sklavisch dabei bleibt (siehe auch hier: Buchtipp: Getting Things Done – Und nun verabschieden wir uns von den Nichtschwimmern …) . Aufgaben und Termine irgendwie per Kalender, Frontalkortex und Zettel zu verwalten und Tätigkeiten zuzuordnen, geht nicht lange gut, denn nach spätestens einer Woche ist der Zettel weg, auf dem die Aufgabe und die Terminierung stand. – Jeder Zettel, jede Notiz muss an einer einzigen Stelle mit Terminen und Tätigkeiten stehen. Und mindestens einmal täglich kontrolliert werden. Die Aufgaben „vom Ende her“ denken: wie muss ich die Daten benennen und ablegen, damit ich sie leicht ändern kann, ohne wieder ganz von vorne mit der Erstellung anfangen zu müssen. Sprachabhängige Screenshots oder Bilder entsprechend benennen und sortieren. Grafiken und Texte so anlegen, dass sie möglichst wenig Pflegeaufwand erfordern – selbst wenn es nur zwei Tabellen oder Grafiken sind. Datenaustauschkanäle definieren: es kostet unglaublich viel Zeit und Nerven, wenn nicht alle Teilnehmer auf dem gleichen Stand sind. E‑Mails mit Anhang sind bequem, WeTransfer ist sicher, aber sobald die Kollegin oder der Kollege ein paar Tage abwesend ist, stockt der Austausch. Selbst das alte FTP ist immer noch besser als ein schnelles Drag&Drop in Outlook.2 An die Übersetzung denken: die meisten Dokumentationen müssen übersetzt werden. Das bedeutet auch, dass die Kosten schon alleine dadurch sinken, dass man auf allzu präzise Angaben im Text verzichtet und stattdessen eine Grafik einsetzt oder einen Querverweis/Hyperlink auf eine Datei setzt, die sowieso immer wieder angepasst werden muss.3 Vorlagen verwenden. Dazu muss man jetzt nichts sagen, denn wer als Technikredakteur keine Vorlagen verwendet, gehört nicht an den Computer, sondern an eine alte Schreibmaschine. An die Ausgabe denken: alle Sprachen in einem Dokument unterzubringen macht vielleicht den Chef vom Marketing glücklich, weil er dann keine Sprachversionen suchen muss, verursacht aber erheblichen Aufwand bei der Layoutierung aufgrund der unterschiedlichen Lauflänge der Texte und führt bei Nachübersetzungen zu Verschiebungen, denn es kann selbst die Quellsprache nicht geliefert werden, bevor nicht die letzte Sprache übersetzt ist – sie müssen ja alle in das gleiche Dokument. Zeitfenster staffeln: entscheidend ist nicht der Abgabetermin, sondern die Meilensteine dazwischen. Man muss es nicht gleich mit einer „Meilenstein-Trend-Analyse“ angehen, aber wenn sich schon der Korrekturlauf verspätet, kann der ganze Zeitplan kippen, denn auch Technikredakteure haben nicht nur eine Dokumentation zu betreuen. Und auch der Übersetzer wartet nicht… Diese Maßnahmen mögen unerheblich erscheinen und sind es – verglichen mit einem Redaktionssystem – auch, aber dafür sind sie wesentlich billiger zu haben. Und für ein Redaktionssystem kann man sie später auch heranziehen. Die armen Spatzen… „Das steht doch in der Mail vom letzten Herbst!“ ist so ein Beispiel, bei dem deutlich wird, wie unausgereift der Prozess sein kann. Immerhin waren im letzten Herbst mehrere hundert E‑Mails mit ungekürzten Antworten und unklarem Betreff („Dokuabteilung“) aufgelaufen, so dass die Suche nach dieser „einen“ Mail einige Zeit in Anspruch nimmt. Hochgerechnet auf ein Dokumentationsprojekt kommen da schnell ein paar Suchstunden zusammen. ↩Es ist ja nicht verboten, eine Datei auf einen erreichbaren Ordner zu kopieren und nur den Link dazu zu verschicken. ↩Werte zu Anzugsmomenten oder Systemvoraussetzungen sind solche Kandidaten. Sind sie im Text verstreut, muss der ganze Text übersetzt werden… ↩Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailBlueskyMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … technische dokumentation EffizienzRedaktionssystemTechnische Kommunikation
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