Ein interessanter Artikel heute in der FAZ online fesselte mein Auge: es geh dort um den „modernen Klassenkampf“1, denn Tenor darauf hinausläuft, dass dieses Land zerrissen wird von der Angst der traditionellen „Mittelschicht“ vor dem Abstieg in die Niederungen der Gesellschaft — und ihrem beflissenen Kampf um den „KLassenerhalt“.Wer jetzt den Eindruck hat, diese Sprachwahl erinnert ein wenig an den Fußball und sein Liga-Sysyte: der hat Recht. Ein wenig klingt es auch danach:
Treiber des gesellschaftlichen Auseinanderfallens sind dabei die nervösen Mittelschichten. Im Kampf um den Statuserhalt bringen sie eine neue Dynamik in die Gesellschaft. Eine, die nicht mehr integriert, sondern spaltet, weil Statuserhalt über Abgrenzung nach unten funktioniert. (FAZ, Das gespaltene Land)
Nun ja, es entspricht ja auch meiner seit Jahren im Stillen gehegten Befürchtung, dass wir systematisch eine Bevölkerungsgruppe (oder mehrere) ausgrenzen von dem, was man den „Fortschritt“ nennt. Ich kann und will daher auch nicht den soziologischen Forschungsergebnissen widersprechen. Was mich mehr stört — vielleicht auch, weil ich mich zur Mittelschicht zähle und beispielsweise die Vermittlung einer gewissen Bildung (nicht Ausbildung2) für besonders wichtig halte — ist die Pauschalisierung dieser „Mittelschicht“.
Nein, auch als Japanologe halte ich nichts davon, meine Kinder bereits während der Grundschulzeit (die viel zu kurz ist) mit Fremdsprachen zu belasten. Die haben Mühe genug, die eigene Sprache einigermaßen zu beherrschen. Und ich finde einen Musikunterricht auch nicht schlecht, weil er Kindern dabei hilft, sich kontinuierlich an einer Sache zu beschäftigen statt in der konsumorientierten Beliebigkeit zu versinken. Kinder müssen nicht bespielt werden, Kinder sollen eigenständiges Denken lernen.
Ist das jetzt schon ein „Abwehrkampf“? Grenze ich damit aus? Die Mittelschicht ist meines Erachtens vielschichtiger als dieser knappe Artikel es vermuten lässt.
Das klassische Arbeitermilieu legte einst mit dem Erstarken des Nachkriegs-Deutschlands zur Wirtschaftsmacht das typisch Proletarische ab. Die einfachen Industriearbeiter strebten der Mitte der Gesellschaft zu, organisierten sich in Gewerkschaften, kämpften für höhere Einkommen und sichere Arbeitsverhältnisse. Sie setzten alles daran, dass ihre Kinder es einmal besser haben sollten. Zum Teil mit beträchtlichem Erfolg.
Der Zeitraum ist da ein wenig zu kurz gewählt. Man sollte ihn eher in einem größeren Rahmen sehen, wie es Immanuel Wallerstein macht, auch wenn seine Theorien mir immer noch zu materialistisch sind. Aber das entspricht in etwa auch der Grundstimmung des FAZ-Artikels. Das macht ihn eben ein bisschen verkrampft.