Ist der Ofen schon aus? 06.03.201521.03.2015 Frau Müller (Name von der Redaktion geändert) hatte sich nach zehn Jahren endlich einen neuen Ofen gekauft. Nicht so ein Teil, bei dem man Drehschalter klackern lassen kann und dann mit der Hand per Auflegen feststellen muss, welches Kochfeld denn nun warm wird – nein, einen vollautomatisch programmierbaren, selbsttätig reinigenden und zeitgesteuert kochenden, backenden und mikrowellenden Computer, ein Teil, das mit ihrem bisherigen Herd soviel gemein hat wie eine Banane mit der gleichnamigen Republik. Das Teil wurde kostenlos geliefert und aufgestellt, für die mitgelieferten Handbücher in zwanzig Sprachen mit personalisiertem Deckblatt fand sich allerdings kein Platz neben den Kochbüchern, daher wanderten sie in die Kiste auf dem Dachboden. Außerdem: Wer liest schon Handbücher bei einem solchen Teil, das in der Lage ist, die Kochwünsche und ‑gewohnheiten seines Benutzers intuitiv zu erahnen? Frau Müller konnte es kaum erwarten und startete schon am ersten Abend eine wahre Kochorgie quer durch die europäische Küche. Auch ihr Mann und ihre pubertierende Tochter waren begeistert (gerade bei letzterer kam das selten genug vor). Nachts noch räumte sie die Küche auf und wischte die neue Errungenschaft ab, um sie startklar für den kommenden Tag zu haben. Und damit begann die Katastrophe. Am nächsten Morgen ging nichts. Der Ofen nicht an und die Stimmung nicht rauf. Das Wunderding blieb kalt, obwohl es am Abend zuvor noch einwandfrei funktioniert hatte. Als der Ofen auch mittags noch kein Lebenszeichen von sich gab, wurde Frau Müller unruhig. Was hatte sie kaputt gemacht? Sie rettete sich mit dem Pizzaservice bis zum Abend und verbrachte den Nachmittag mit dem Studium der Handbücher, wobei es einen halben Nachmittag dauerte, bis sie eines in deutsch fand. Sie verstand kaum finnisch und konnte auch slawische Sprachen nicht einmal auseinander halten. Warum diese Sprachen überhaupt mitgeliefert wurden, war ihr ein Rätsel, immerhin hatte sie den Ofen bei einem renommierten Händler in Deutschland gekauft und die bevorzugte Sprache auf dem Display bereits in der Bestellung angeben müssen. Zum Abendbrot war die Stimmung schlecht, der Ofen war den ganzen Tag kalt geblieben. Ihr Mann nahm sich vor, am nächsten Tag (einem Donnerstag) in der Kantine zu essen, obwohl ihm das Essen dort nicht gut bekam. Frau Müller beschloss, den Kundendienst anzurufen und lieber Gefahr zu laufen, für eine komplette technische Vollidiotin gehalten zu werden als noch länger eine kalte Küche hüten zu müssen. Der Kundendienst wäre zwar am nächsten Morgen ab neun Uhr erreichbar gewesen, leider aber war dort die Telefonanlage defekt, so dass sie einen Mitarbeiter des Call-Centers erst am frühen Nachmittag erreichte. Ihre Tochter war in der Zwischenzeit bei einer guten Freundin zum Mittagessen gegangen … Der Mitarbeiter konnte ihr zwar zahlreiche Ratschläge zum energieeffizienten Kochen und Backen mitgeben, leider aber nicht bei der erneuten Inbetriebnahme des Ofens helfen. Der Servicetechniker war an diesem Tag allerdings nicht mehr erreichbar. Auch nicht am nächsten Tag, denn er war ab diesem Freitag im Urlaub. Für zehn Tage. Wohlverdient. In dieser Nacht allerdings geschah das Unerwartete: der Ofen schaltete sich selbsttätig ein und fuhr die Bratröhre auf 180 °C Umluft an. Das war gegen 23:00 Uhr, als Frau Müller gerade ins Bett wollte. Da sich der Ofen auch nicht von einer anderen Temperatur überzeugen ließ, suchte Frau Müller in fiebriger Hast passende Rezepte zur Temperatur zusammen und fand tatsächlich ein Lasagnerezept, das in der verbleibenden Zeit (auf dem Display angezeigt) fertig wurde. Danach verfiel der Ofen wieder in unergründliche Lethargie und war erst gegen fünf Uhr morgens wieder wach – so wie Herr Müller, der das Lebenszeichen auf seinem Gang zur Toilette entdeckte und seiner Frau Bescheid gab. Diesmal war Kochen auf den hintersten beiden Kochfelder möglich. Die Hackfleischsoße schaffte es zwar bis zum Verzehrzustand, die Bandnudeln jedoch schieden auf halber Strecke aus, da Frau Müller den Topf nicht rechtzeitig fand. Dann schaltete sich das gute Stück wieder ab. Von nun an ging es aufwärts, wenn auch nur unter anfangs großer Mühe. Müllers stellten den Tagesablauf um: wer warm essen wollte, musste sich bis Mitternacht gedulden, die zweite Mahlzeit gegen sechs Uhr morgens mochte keiner so recht frisch genießen. Man kochte daher lieber Dinge, die auch kalt noch genießbar waren. Leider hatte diese Umstellung unangenehme Folgen für die übrige Lebensplanung der Familie, so dass die Tochter fortan nur noch kalt aß, damit ihr der Schlaf für die Schule nicht abhanden kam. Herr Müller aber kündigte und nahm eine Tätigkeit in einem Call-Center an. Diese war zwar nicht so gut bezahlt wie seine vorherige Stelle, durch die effizientere Nutzung der elektrischen Energie und den nun vermehrt beanspruchten Nachtstromtarif aber hofft er, einen Teil der Einbußen ausgleichen zu können. Frau Müller aber sucht seit ein paar Tagen nach einem Land, das über eine Zeitverschiebung verfügt, in der die Funktionszeiten der Ofenautomatik auch zum Tagesrhythmus passen. Sie will auswandern. Am besten ganz weit weg. Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … glosse
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