Innovativ bis zum Anschlag 15.08.200323.05.2023 Für Webdesigner ist es ein schweres Los, in Deutschland eine wenn auch kleine Website zu gestalten: „Machen Sie es wie bei Müller, unserem ärgsten Konkurrenten, aber anders!“ Und dann kommen die ersten Vorschläge und der erste Kommentar: „Das habe ich mir aber anders vorgestellt …¦“. Zum Thema: tekom Literatur: „Missing Links – Über gutes Webdesign“, Thomas Wirth, Hanser Verlag „Gebrauchsanweisungen optimal gestalten – Über sinnvolle und verständliche Gestaltung“, Jona Piehl, Springer Verlag „Technische Dokumentation – Praktische Anleitungen und Beispiele“, Dietrich Juhl, Springer Verlag Wie auch immer sie sich rechtfertigen, ob mit Usability oder Kreativität, den beiden angesehensten Schlagworten in diesem Land, es will keine runde Sache werden. Tja, als Webdesigner ist das kalter Kaffee und sollte schon in der ersten Kalkulation mit drin sein. Aber in der technischen Dokumentation? Kreativität? Usability? „Nu verkünsteln Sie sich man nich‘!“ ist dem motivierten Mitarbeiter ein erster Ansporn, den Input ohne zu hinterfragen in die Doku zu knallen, ein paar PowerPoint-Bilder hinterher zu schieben (weil es ja auch ein bisschen bunt sein darf) und der Käs‘ ist gerolltâ?¦ Es darf natürlich spekuliert werden, warum es gerade die beiden Begriffe des Designs in diesem Land so schwer haben und gerne von allen Teilnehmern in den Mund genommen werden, damit man sich gebildet anhört. Dabei ist es so einfach: es gibt nicht nur KISS oder MAYA, sondern auch beides zusammen. KISS KISS ist die Abkürzung für „Keep it simple (and) stupid“. Geistiger Ziehvater ist der Usability-Papst Johan Nielsen, für den insbesondere die Benutzbarkeit des Internets, seien es nun Formulare oder Navigation und Inhalt, Vorrang vor der bunten Effekthascherei haben sollte. Der Benutzer muss sich auf der Seite schnell zurechtfinden. Als Zielgruppe gilt der „DAU“ (oder „DAB“, also der „dümmste anzunehmende User/Benutzer“). Für manche Internetseiten mag das auch völlig richtig sein, vor allem dann, wenn die Zielgruppe überhaupt nicht klar erkennbar ist. MAYA Der scheinbar umgekehrte Ansatz ist MAYA („Most advanced yet acceptable“, quasi „Innovation dicht an der Schmerzgrenze“). Bei MAYA muss die Benutzergruppe vorher festliegen. Man versucht quasi „en vogue“ mitzuschwimmen, am besten die Trends vorwegzunehmen und dem Benutzer auch Einiges an Anpassungsfähigkeit und Neugier abzuverlangen. Aber zurück zur technischen Dokumentation. Sie ist meist ein lästiges Übel in der Konstruktion und den deutschen Handwerkergenen ein Gräuel. Ausgehend von einer Informationsgruppe (in Unternehmen die Abteilung, der die Dokumentation zugeordnet ist) wird die Dokumentation nicht für den Benutzer erstellt, sondern für den Korrekturleser der Abteilung. Sie orientiert sich häufig an der Vorstellung des Projektleiters, was denn dem Kunden – dem zahlenden, aber ungeliebten Bittsteller – alles serviert werden kann, ohne dass man sich allzuviele Gedanken machen muss, ob er es denn auch versteht. Meist verläuft der Kontakt zum Kunden über den entsprechenden Gesprächspartner, nicht den Benutzer der Maschine/Anlage, so dass es hier zu einer Schieflage im Hinblick auf die Fachkenntnisse kommt. Mit Hilfe eines mehr oder weniger angelernten Redakteurs (laut tekom sind ca. 80% aller Mitarbeiter in der technischen Redaktion Quereinsteiger – technische kommunikation 4/2003, S. 12) kommuniziert hier der Ingenieur mit dem Ingenieur. Der eigentliche Benutzer läuft da nur mit. Dass er die Dokumentation – sofern er sie überhaupt zu Gesicht bekommt – nicht versteht, spielt da keine Rolle. Der Dachverband der technischen Redakteure in Deutschland, die tekom, fordert daher eine bessere Ausbildung der Redakteure. (Es erinnert irgendwie an einen alten Witz: Nachdem festgestellt worden war, dass der Grund für die Niederlage in einer Bootsrennen darin liege, dass acht Leute steuern und Einer rudert, beschloss man, den Einen besser zu motivieren.)â?¦ Nicht doch, was hilft ein Redakteur, sei er nun qualifiziert oder nicht, wenn er vor lauter Bodenständigkeit gar nichts ändern darf an dieser Lage. Der Benutzer bleibt immer noch außen vor, wie gut sich alle Redakteure auch in internationalem Recht und der fachsprachlichen Diktion auskennen mögen. Das sind juristische Formalitäten, die es zu diskutieren nicht lohnt, die müssen einfach sein. Wo der Redakteur eigentlich gefragt ist, ist seine Fähigkeit, die Zielgruppen der Dokumente zu erkennen und den schwierigen Balanceakt zwischen KISS und MAYA zu wagen. Dazu zählt vor und während der Dokumentationserstellung auch die ständige Beobachtung des Dokumentationsumfeldes (nicht der Technik, sondern der Benutzer): Wer benutzt die Doku und wie oft (Heftung, Stabilität, Kopierbarkeit)? Wie wird sie benutzt (Tabellen, Bilder, Handlungsanweisungen)? Wo befindet sich der Benutzer während des Lesens (Verweis auf Positionen an der Maschine/Anlage)? Ist er abgelenkt (Übersichtlichkeit der Texteinheiten)? Ist es dunkel (Schriftgröße, Kontrast/Strichstärke der Grafiken)? Ist es laut (Prägnanz/Konsistenz der Informationen)? Arbeitet er im Schichtdienst (Kurzreferenz bei Störungen)? Hat er Zugang zu weiteren Informationen (Querverweise auf andere Dokumente)? etc. Seltsamerweise führt dies über MAYA zu KISS. Ohne kreativ an die Dokumente heranzugehen, werden Zeichnungen weiterhin zu klein und zu unübersichtlich bleiben, Handlungsanweisungen weiterhin im passiven Imperativ in der falschen Reihenfolge stehen („Das Ventil muss geöffnet werden, nachdem der Druck reduziert wurde“ – Wer soll was tun? Hoppla, die Schraube ist schon offen …) und Irrelevanz vor Situationsbezogenheit den Vorzug haben („Diese Schraube ist aus hitzebeständigem Stahl“ – es handelt sich jedoch um eine Schraube an einem Kühlaggregat). Wir müssen jeden Satz hinterfragen und bereit sein, auch mal die Darstellung zu ändern (wäre ein Filmchen oder eine Animation nicht vielleicht manchmal besser?). Und das alles, um es einfach und klar zu halten, KISS eben. Mal wieder innovativ sein, sonst meint jeder, wir bekämen unser Geld nur für Kopieren&Einfügen. Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … dokumentation
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