Es waren zwei Königskinder 16.10.201315.02.2019 Ein eigenartiges Schauspiel findet beinahe täglich auf dem deutschen Arbeitsmarkt statt: Da gibt es Unternehmen – kleine wie große –, die händeringend nach Fachkräften suchen. Manchmal monatelang. Auch Technische Redakteure sind seit mehreren Jahren gefragt wie nie. Auf der anderen Seite sind Technische Redakteure, die nach einer neuen Aufgabe oder einem neuen Auftrag suchen. Manche davon sind freiberuflich, viele einfach neugierig und offen für Neues (Wer hat jetzt an „Mobile Dokumentation“ gedacht? Sehr gut!). Und dennoch kommen beide Seiten nicht zusammen. Wie die beiden Königskinder aus dem Kinderlied. Woran kann das liegen? Auf der Suche nach den Gründen für dieses Phänomen stößt man zunächst auf die klassischen Begründungen: Geld beispielsweise, fehlende Fachkenntnis, mangelnde Mobilität und so weiter. Ja und nein. Diese Gründe sind nicht von der Hand zu weisen, denn Niemand arbeitet gerne für lau und Meister fallen auch nicht vom Himmel oder werden aus den Bäumen geschüttelt. Schauen wir uns das mal genauer an. Am Gelde hängt, zum Gelde drängt … Zum Berufsbild des Technischen Redakteurs gehört neben einer guten oder vielleicht sogar exzellenten Kenntnis seiner Werkzeuge (Text- und Bildverarbeitung) auch die Kenntnis der sicherheitstechnischen Grundlagen und der Prozessschritte, die notwendig sind, damit der Kunde zum Schluss ein korrektes Dokument in den Händen hält. Die Fachkenntnis des Produkts jedoch gehört nicht unbedingt dazu, denn dafür kommuniziert der Redakteur mit den so genannten „Subject Matter Experts“ (SMEs). Es ist also keinesfalls für einen Technischen Redakteur unabdingbar, dass er eine technische Ausbildung oder ein technisches Studium absolviert hat. Umfassendes technisches Verständnis ist ausreichend. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Technischer Redakteur nach einem abgeschlossenen Maschinenbaustudium noch ein paar Jahre als Technischer Redakteur draufpackt, um dann mit der Aussicht auf weniger Gehalt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Hätte er nämlich direkt nach seinem Maschinenbaustudium gearbeitet, wäre er nicht nur in der Karriereleiter wesentlich höher angekommen, er hätte auch ein höheres Gehalt. Um das zu erkennen, muss man nur die Einstiegsgehälter von Ingenieuren und Redakteuren miteinander vergleichen. Demnach müsste dieser Technische Redakteur eigentlich sogar höher entlohnt werden als ein Ingenieur, da er ja noch mehr mitbringt. Müsste. Dem ist aber meist nicht so. Das wissen die Absolventen der Hochschulen natürlich auch, und werden deshalb in den wenigsten Fällen nach einem Ingenieursstudium den Technikredakteur draufsatteln. Das hat zur Folge, dass es einfach sehr wenige Redakteure gibt, die beide Qualifikationen mitbringen – und bereit sind, mit schlechteren Gehaltsaussichten zu arbeiten. Da fehlt dem Königskind die Motivation. Und entsprechend selten gibt es entsprechende Kandidaten. Umgekehrt macht sich natürlich dann auch kein Personalverantwortlicher im Unternehmen Freunde, wenn er diesem Umstand Rechnung trägt und den einzustellenden Redakteur besser entlohnt als die Ingenieure, die ja eigentlich den Umsatz erwirtschaften. Also bleiben Redakteure schlechter entlohnt. Für die Technischen Redakteure ist das weniger ein Problem, denn an den Umstand haben sie sich gewöhnt. Für einen Arbeit- oder Auftraggeber allerdings bedeutet das, dass er mitunter für den Job nicht den entsprechend ausgebildeten (also mit Fachkenntnissen versehenen) Redakteur findet. Fremdgehen In ihrer Not greifen dann die Personalverantwortlichen zu einem Ersatz: Sie engagieren Personalvermittler oder gleich einen Dokumentationsdienstleister. Damit aber machen sie sich nicht nur von einem fremden Vermittler abhängig, sie geben auch betriebsinterne Kenntnisse nach außen. Denn – und das wird meist übersehen – der Technische Redakteur ist kein Märchenonkel, der mal schnell am Computer ein paar Informationen zusammenklickt, sondern er ist eine Art Informationsstaubsauger. Der Technische Redakteur muss zahlreiche Informationen des Unternehmens bündeln, um seine Arbeit machen zu können. Und zwar nicht nur die zum Produkt, sondern auch die Informationen zu Herstellerdokumentationen, Montageabläufen, Serviceleistungen, Produktzyklen und Vertriebskanälen. Darunter sind natürlich auch Kenntnisse, die zum Kern des Unternehmens gehören und dementsprechend groß ist auch die Abneigung in den Unternehmen, externe Redakteure zu beschäftigen. Falls sie das dennoch tun müssen, holen sie sich meist einen Dokumentationsdienstleister, den sie mit einem NDA (Non Disclosure Agreement, Verschwiegenheitserklärung) zum Schweigen verpflichten. Allerdings verlagert sich das Problem damit nur, denn gelöst ist es immer noch nicht. Auch Dienstleister arbeiten nämlich heutzutage nicht mehr wie weiland Henry Ford, der jede Schraube in den eigenen Werkstätten anfertigen ließ, sondern sie greifen meist auf selbstständige Redakteure zurück, um sie in mageren Zeiten nicht durchfüttern zu müssen. Auch die Dienstleister verfügen nur über einen sehr begrenzten „Vorrat“ an Redakteuren, die sie dem Unternehmen zur Verfügung stellen können – und lasten diese Redakteure meist mit mehreren Projekten gleichzeitig aus, um die Durchlaufzeiten zu verkürzen und die Ausbeute zu erhöhen. Auch Dienstleister können keine Redakteure von den Bäumen schütteln. Spät ist immer zu spät Gut funktionierende Dokumentationsprozesse müssen daher wie Vertriebsprozesse geplant und orchestriert werden: Außenbordmotoren verkaufen sich im Herbst schlecht, tragbare Musikplayer setzt man im Weihnachtsgeschäft am Besten ab. Und auch die Dokumentation muss dann fertig sein, wenn das Produkt auf den Markt kommt. Sie will rückwärts geplant werden: wann wird publiziert, wann sind die Übersetzungen fertig, bis wann müssen die Korrekturen eingearbeitet werden, wann muss die Recherche erfolgen? Meist können die Redakteure aber nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt anfangen, weil sie ja das Produkt erst dann beschreiben können, wenn es fast fertig ist. Das Zeitfenster ist demzufolge immer recht eng. Redakteure sind das gewohnt, das gehört bei Ihnen zum Alltag. Allerdings machen viele Unternehmen den Fehler, sich auch erst dann um einen Redakteur zu kümmern. Das ist nicht nur spät, das ist zu spät, denn auch ein erfahrener Redakteur kann seine Fachkenntnis und vor allem seine Prozesskenntnis nicht von den Bäumen schütteln. Gerade Letztere ist jedoch für die nahtlose Einbindung der Dokumentation unerlässlich, denn nur durch Einsicht in die unternehmensspezifischen Prozesse und Entscheidungen kann der Redakteur effizient sein. Da diese Prozesse aber nicht erst mit dem Produkt entstehen, sollte der Redakteur früher eingebunden werden als dies für seine Dokumentationsaufgabe notwendig scheint. Er muss die Fachabteilungen und die Review-Zyklen kennen, er muss sich in das Produkt „hineindenken“ können, um zielgerichtet arbeiten zu können. Das benötigt Zeit. Wer rastet, der leistet Zwar leiden Technische Redakteure im Allgemeinen nicht unter ständigem Jetlag, weil sie von einem Meeting zum anderen geflogen werden. Redakteure sind meist recht standorttreu, auch weil sie ihre Dokumentationswerkzeuge oft nicht herumtragen können. Und auch, weil sie mitunter eine Familie haben (oder mehrere Kunden) und daher nicht wie Lehramtsanwärter alle sechs Monate durch die Republik versetzt werden können und wollen. Nun ist aber der Auftraggeber oft nicht am selben Ort zu finden wie der Redakteur. Im Gegensatz jedoch zu den Königskindern müssen Redakteur und Auftraggeber nicht schwimmen, sondern können die moderne Kommunikationstechnologie nutzen, um in Kontakt zu bleiben. Dies setzt allerdings auf Seiten des Auftraggebers voraus, dass er bereit ist, sich auf einen nicht-physisch anwesenden Redakteur und dessen Leistung einzulassen. Er muss als Auftraggeber daher – idealerweise mit dem Redakteur zusammen – einen belastbaren Termin- und Aufgabenplan erstellen, an den auch er sich bindet. Darin wird nicht nur der Umfang der Leistung festgehalten, sondern auch die genaue Definition des Auftrags, sprich Projekts. Mit „Machense mal!“ ist das nicht getan. Dazu zählt neben der Planung nämlich auch die Kontrolle der Durchführung, denn auch für den Redakteur ist es essenziell zu wissen, wenn sich ein Termin verschiebt – schließlich hat er mitunter mehrere Projekte gleichzeitig zu betreuen. Fazit Um ein Dokumentationsprojekt vernünftig abzuwickeln, muss der Redakteur rechtzeitig ins Boot geholt werden – und ihm ermöglicht werden, seine Leistung auch nicht ständig vor Ort greifbar erbringen zu können. Davon profitieren dann beide Königskinder, äh Seiten. Der Rhein bei Hochwasser Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … redaktion ArbeitsweltPlanungRedakteur
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