Techno-Lyrik 28.04.201705.05.2017 Kaum etwas liegt dem Technischen Redakteur beruflich ferner als gebundene Sprache und kunstvoll gedrechselte Phrasen, die vom Leser verlangen, den Text zu interpretieren und nicht von ihm instruiert zu werden. Technische Texte dürfen all das nicht, was einen poetischen Eindruck erwecken könnte – Kunst steht dem von ihm erwarteten Produkt sogar diametral gegenüber: Sätze mit mehr als 13 Wörtern müssen getrennt werden, eine Handlungsanweisung darf nicht mehr als zwei Verben enthalten, Überschriften sollen aussagekräftig sein, damit der Leser schon beim Überfliegen des Inhaltsverzeichnisses erkennt, was ihn erwartet – die Reihung lässt sich noch beliebig lange fortsetzen.1 Laaangweilig! Aus Furcht, potenzielle Leser abzuschrecken, versuchen sich viele Kollegen daher nur allzu gerne an Satzkonstruktionen, die den sprachlichen Charme der Maschinen haben, die darin beschrieben werden: Deckel öffnen. Schraube entfernen. Kontermutter lösen. Das klingt nicht nur mechanisch, das vermittelt auch den Eindruck eines spröden Handwerks. Wie kann man so einen Job machen und welch abgestumpftes Kommunikationsverhalten muss ein Mensch aufweisen, der einen solchen Text verfasst? Der Aufsatzschreiber Keine Sorge, ich beginne hier kein Plädoyer für ausschweifende Beschreibungen, wie sie manchmal von Autoren hergestellt werden, wenn sie versuchen, ihre schulischen Kenntnisse aus dem Schreiben von Aufsätzen in der Technischen Dokumentation an den Leser zu bringen. Kostprobe gefällig? Nach Erreichen des Füllstands versucht der Server aus Performancegründen über den Router den angebundenen Switch automatisiert zu erreichen. Dabei kann der User natürlich firewallseitig nur kurzzeitig eingreifen, um die Netzwerkadresse aus Active Directory Sicht umzukonfigurieren. Das ist Kauderwelsch meinen Sie? Das ist Hilflosigkeit! Das versteht selbst nach mehrmaligem Lesen nur der Personenkreis, der bei der Erfassung des Sachverhalts persönlich anwesend war.2 Einem der Anwesenden wurde dabei die undankbare Aufgabe zugemutet, den Sachverhalt in Worte zu fassen und aufzuschreiben. Daraufhin hat dieser arme Mensch das notiert, was ihm spontan noch in Erinnerung geblieben ist – unsortiert und ungefiltert. Damit dieses Brainstorming zu einem anschaulichen Text wird, hat er ihn mit sämtlichen Adjektiven, Adverbien und sonstigen Beifügungen versehen, die den trockenen Gegenstand eigentlich auflockern sollen. Das Ergebnis ist aber in beiden Fällen ein situativ unangemessener Text. Situativ unangemessen ist der Text, weil er von der Vorstellung des Textproduzenten ausgeht (oder vom Hersteller des Produkts), der grundsätzlich die Welt in zwei Gruppen unterteilt: Diejenigen, die seine Produkte kennen und den Text daher höchstens als rechtlich verpflichtende Beilage betrachten – und diejenigen, die sowieso nie mit dem Produkt umgehen werden können oder müssen. Um dem Dilemma zwischen dröger Minimalsprache und ausschweifender Erlebniserzählung zu entgehen, gibt es leider kein Patentrezept. Weder nutzt es, mit „vereinfachter Sprache“ den Leser wie einen Grenzdebilen anzusprechen, der über einen Wortschatz von maximal 500 unterschiedlichen Begriffen verfügt, noch hilft es, den Leser als einen Ausdauersportler in der Textrezeption zu verstehen.3 Texte sind Musikstücke Texte sind nicht nur eine Aneinanderreihung von Buchstaben, die zufällig einer sprachlichen Norm und vielen Regeln gehorchen, eine Art gemalte Information sozusagen, die aus Schriftzeichen eine Zeichnung macht. Texte sind wie Musikstücke: sie haben Klang und Melodie, sie haben Rhythmus und Refrain. Wie ein Musikstück muss das Ergebnis nicht jedem in jeder Situation gefallen, aber es sollte einen bestimmten Typus darstellen, kohärent sein. Jeder Text ist immer auch ein Lied mit einer Aussage und einer inneren Logik, einer Struktur. Machen Sie doch mal einen simplen Test: Schreiben Sie einen technischen Text, beispielsweise eine Anleitung, wie man Kaffee kocht, oder eine laden Sie aus dem Internet eine Anleitung herunter und lassen Sie sich einige Passagen von der Sprachsoftware des Computers vorlesen. Schließen Sie dabei die Augen und stellen Sie sich vor, neben Ihnen stünde ein Assistent, der Ihnen aus der Anleitung vorliest. Verstehen Sie, was er sagt? Können Sie ihm folgen? Oder müssen Sie immer wieder die Augen öffnen um sich an den Bildern zu orientieren? Wenn der Text gut ist, beginnt er zu singen, dann folgt er einem Gedanken bis zum Ende wie ein Musikstück einem Melodiebogen folgt. Wenn er schlecht ist, dann wissen Sie auch, was Sie besser machen können: Texte komponieren. Dieser Satz alleine ist schon ein „No-go“, weil er aufgrund seiner Länge angeblich die Aufmerksamkeitsspanne der meisten Leser über Gebühr beansprucht. ↩Bemühen Sie sich nicht, es handelt sich nur um ein Beispiel. Der Inhalt besitzt keine Aussage, es ist Unsinn. ↩Zur ersten Gruppe zählen jene, deren Kommunikationsverhalten mit der folgenden Unterhaltung skizziert werden kann: „Ich so: ey! – Er so: warum digger?“ Zur zweiten Gruppe rechne ich jene Nominalisierungsakrobaten, deren Textproduktion vor allem in juristischen oder soziologischen Fachtexten vermehrt auftritt. ↩Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … dokumentation Lyrik technische dokumentation
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