Buchtipp: The Laws of Simplicity – oder: geht’s auch einfacher? 29.11.2007 Wer sich häufiger mit Software und Betriebssystemen beschäftigt, sowohl aus Sicht des Nutzers, als auch aus Sicht des Programmierers, der weiß um die Fallstricke in der Schnittstellenprogrammierung. Nun sind Redakteure per se nicht dazu geeignet, Benutzerfreundlichkeit zu ergründen oder zu definieren, aber sie tragen als Rädchen im Getriebe des Erstellungsprozesses doch Verantwortung, wenn es um die Benutzbarkeit von Software geht. Buch: The Laws of Simplicity, John Maeda, The MIT Press, Cambridge, Massachussetts, 2006 Website Also nehmen wir mal an, Sie sind in der Entwicklungsabteilung bei Mayer und Söhne, die für eine auf dem Markt befindliche Ölpumpe eine softwarebasierte Steuerung der Durchflussmenge bei gleichzeitiger Überwachung über das Internet entwickelt. So ein 12-Mann-KMU Betrieb, eine Stütze der deutschen Wirtschaft. Können Sie sich vorstellen? Gut. Um Ihr Produkt zu erstellen, benötigen die Programmierer Ihres Betriebs meist Software eines Unternehmens aus Redmond. Gibt’s aus der Packung. Aber auch als Redakteur verwenden Sie Software, um eine Software zu dokumentieren. Sie sitzen also zwischen zwei (oder mehr) Programmen: Das Eine muss quasi mit dem Anderen »verpackt« werden. Sie sind als Redakteur vertraut mit Ihren Werkzeugen, mit Ihrem Office- oder Layout-Programm, sie können Templates erstellen, kennen die Tastaturkürzel und können den Arbeitsablauf ziemlich klar definieren. Was Sie kennen, ist die Benutzeroberfläche Ihres Programms, mit dem Sie Ihr Geld verdienen. Das ist Ihr Zuhause. Womit Sie sich aber nicht so gut auskennen, ist die Software, die Sie dokumentieren sollen. Sie haben sie nicht geschrieben und kennen auch den Quellcode nicht. In beiden Fällen ist die Bildschirmoberfläche die primäre Kommunikationsschnittstelle zwischen dem Benutzer und dem Programm. Wenn SIE den Knopf zum Drucken nicht finden, kann das Programm das auch nicht. Das wissen auch die Hersteller der Betriebssysteme, auf denen Ihre Software zum Einsatz kommen soll. Jedes dieser Betriebsysteme hat eine eigene Philosophie, die der Benutzer, der damit arbeitet, auch kennen sollte. Nun gibt es zu allen Betriebssystemen Gestaltungsrichtlinien, wie die Elemente der Benutzerschnittstelle aussehen sollen, wie sie angeordnet werden sollen, damit der Benutzer keine langen Einarbeitungszeiten benötigt und sofort das Gefühl hat, damit produktiv seien zu können. Diese Richtlinien kennen Sie vielleicht, um die Tätigkeiten und Bildschirmelemente korrekt zu beschreiben, damit der Benutzer sofort mit dem Handbuch zurecht kommt: Sie schreiben »Wählen Sie Drucken im Menü Datei« statt »Rufen Sie Datei > Drucken auf.« Letzteres ist nämlich Programmierer-Deutsch, es erfordert vom laienhaften Benutzer unnötige »Ladezeiten«, bis er versteht, was er tun soll. Die Transferleistung, die er vollbringen muss, um den Text zu verstehen, steht ihm für die Ausführung aber dann nicht mehr zur Verfügung. Wenn jetzt noch Zeitdruck dazu kommt, können Sie regelrecht zusehen, wie die Frustration anschwillt. Aber das kennen Sie. Was Sie nicht wissen ist, ob der Programmierer diese Richtlinien auch kennt. Kommen Sie aber nun bloß nicht mit einem 400 Seiten starken Wälzer, den er sich mal anschauen sollte. Das wird er nie tun, denn dazu hat er gar keine Zeit. Meist (und das ist nicht abwertend gemeint) wirft er eine graue Maske auf den Schirm, klemmt die notwendigen Buttons dahin, wo er es für richtig hält – oft unter dem irrtümlichen Eindruck, dass das später sowieso noch geändert wird (tut es aber nicht, weil die Software lieber neue Features bekommt als dass die Oberfläche entrümpelt wird) und hängt die Programm-Routinen ein. Es geht auch anders: »S.H.E«: »Shrink« (Reduzieren), »Hide« (Verstecken, bzw. Ausblenden) und »Embody« (Verkörpern, Ausdrücken). Dies ist der erste Gestaltungsgrundsatz in dem Buch »The Laws of Simplicity« von John Maeda (siehe auch Textbox rechts). Aber was ist das? »Shrink«. Reduzieren Sie die Oberfläche auf das Wesentliche. Es ist nicht wichtig, dass der Benutzer sieht, was man alles mit dem Programm anstellen kann, sondern dass er möglichst rasch das tun kann, wozu er das Programm benutzen will. Überlegen Sie also vorher, wie die Oberfläche aussehen soll, welche Funktionen wichtig sind und welche Funktionen in Menüs oder Dialogen versteckt werden können. Dann erstellen sie ein »Mock-Up«, also eine Oberfläche ohne die dahinter liegenden Programm-Funktionen und lassen Sie von einem Außenseiter kritisch testen – beispielsweise dem Redakteur. Erst wenn die Rückmeldung positiv ist, beginnen Sie mit der Benutzeroberfläche. »Hide«. Blenden Sie die für die Bedienung unwichtigen Funktionen aus. Wenn Sie beispielsweise in dem eingangs genannten Beispiel einer Software zur Durchflussmessung die Abtastrate einstellen können, dass ist das eine Funktion, die Sie nicht ständig ändern. Also gehört sie in ein Menü »Einstellungen« zusammen mit der Einstellung der angeschlossenen Hardware, also in der dritten Ebene unter der Benutzeroberfläche, nicht in die Menüleiste. Das Drucken dagegen gehört weiter oben in die Menüleiste in einen Button, denn das Ausgabegerät kann sich während der Bedienung ändern, da will der Benutzer nicht ständig in den Einstellungen herumsuchen müssen. (Außerdem können Sie damit besser die Zugriffsbeschränkungen für bestimmte Funktionen kontrollieren und festlegen.) »Embody«. Wenn Sie schon die Oberfläche entrümpelt haben, sollte der Benutzer nicht den Eindruck bekommen, Sie hätten ihm eine Sparversion angedreht oder er bekäme nichts für sein Geld. Werten Sie die Oberfläche durch professionell gestaltete Buttons auf geben Sie ihm die Möglichkeit, Teile der Oberfläche an seine Vorstellungen anzupassen (Hintergrund- und Schriftfarbe, am besten als fertige Sets). Der Benutzer hat dadurch ein schnelles Erfolgserlebnis. Das erhöht die Motivation. Und macht den Eindruck von Qualität und sorgfältiger Arbeit. Wenn Sie jetzt denken, das eben Geschriebene beträfe nur die Programmierer, dann liegen Sie nicht ganz richtig. Auch Redakteure können diese Grundsätze nutzen: Reduzieren Sie die Textmenge, indem Sie Textstellen, die für die Benutzung nicht erforderlich sind, in eine »Info« verschieben und verschlanken. Überlegen Sie bei jedem Warnhinweis und jeder Handlungsanweisung, wie er/sie sich noch knapper und präziser formulieren lässt. Setzen sie häufige Zwischenüberschriften ein und schaffen Sie Platz für gedankliche Einheiten. Benutzen Sie weniger Querverweise (sonst muss der Benutzer ständig blättern), und verzichten Sie auf Überschriften-Nummerierung, das erhöht nur die Komplexität. Fassen Sie Tätigkeiten zusammen, die der Benutzer »auf einen Rutsch« erledigen kann. Setzen Sie Farbe ein, nutzen Sie den Weißraum auf der Seite (Papier oder Internet). Werten Sie Grafiken auf durch farbliche Unterlegung oder Hervorhebung relevanter Stellen. Nutzen Sie professionell wirkende Vorlagen und fragen Sie zur Not eben auch mal einen Grafiker um Hilfe. Benutzen Sie Ihren Verstand – die Software hat nämlich keinen. Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … thinkware
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