Aufmerksamkeits-Steuerung in der Technischen Dokumentation: Hingucken lassen 30.04.201230.12.2023 Dass sowieso keiner die Dokumentation liest, damit haben sich die meisten Redakteure abgefunden. Es stimmt aber nicht. Eine Dokumentation besteht aus zwei Teilen (das wird in einer so genanten DITA auch korrekt abgebildet): aus einem beschreibenden Teil – das ist der, mit dem man den Gesetzgeber beruhigt und der nie gelesen wird –, und dem prozessualen Teil, in dem der Leser bestimmte Handlungen durchführen muss. Der zweite Teil wird wesentlich häufiger gelesen und leider auch wesentlich stiefmütterlicher in der Dokumentation behandelt. Warum? Für den Redakteur ist es leichter, an die beschreibenden Informationen zu kommen, er muss nur den Programmierer oder den Konstrukteur fragen. Die sagen ihm dann mit einem gewissen Stolz in der Stimme, was ihre Produkte so alles draufhaben. Wenn es aber um Fragen zu Handlungsschritten geht (Wie navigiere ich in der Steuerung zu einer Stelle, an der ich den gewünschten Wert eingeben kann? Wie komme ich an den Dichtungsring, wenn es unter der Maschine tropft?), werden die Kollegen oft etwas schmallippig. Das wisse der Service. Und außerdem muss das der Kunde sowieso nicht so genau wissen … Doch. Das muss er. Der Leser muss wissen, wie er am sichersten und schnellsten eine bestimmte Handlung durchführen kann, zu der er berechtigt ist. Austausch eines Verschleißteils beispielsweise. Und da helfen langatmige Erklärungen zum Sinn und Zweck des Verschleißteilwesens wenig. Andererseits hilft der Verweis auf die Telefonnummer des Service oder die lakonische Aussage „Bauteil austauschen.“ ebenso wenig. Um nämlich eine Handlungsfolge durchführen zu können, muss der Benutzer natürlich bestimmte Vorabinformation erhalten zu den benötigten Werkzeugen oder Voraussetzungen. Wenn der Hinweis auf ein unterzustellendes Gefäß erst nach dem Öffnen der Ölablassschraube kommt, ist es zu spät. Die Aufmerksamkeit verhält sich wie eine Half-Pipe. Rechtzeitig Die Kunst besteht also darin, die benötigten Informationen rechtzeitig anzubieten. Was aber bedeutet das? Dazu ein kleiner Ausflug in die Verhaltensforschung (den kompletten Artikel finden Sie hier). Am M.I.T. (Massachusetts Institute of Technology) implantierte man Ratten kleine Sensoren ins Gehirn, um die Hirnaktivität zu messen. Die Ratten mussten danach ein Labyrinth überwinden, um an ein Stück Schokolade zu kommen, das sie riechen konnten. Die erstaunliche Entdeckung dabei war, dass die Hirnaktivität der Ratten immer dann am größten war, wenn sie nach einem Eingang in das Labyrinth suchten. Nachdem sie ihn gefunden hatten, fiel die Aktivität auf ein niedriges Niveau ab, da sie dann ja nur noch ihrer Nase folgen mussten. Erst als sie die Schokolade fanden, stieg die Aktivität ihrer Hirnzellen wieder. Diese Erkenntnis korreliert auch mit alltäglichen Beobachtungen. Das menschliche Gehirn ist keine Maschine, die auf Dauer Höchstleistungen vollbringen kann (eine Erkenntnis, die sich in zahlreichen deutschen Kultusministerien nicht herumgesprochen hat), da dazu zu viel Energie verbraucht wird. Darauf nimmt das menschliche Verhalten Rücksicht: es fasst Tätigkeiten zu Blöcken zusammen und versucht, sie zu standardisieren, da dies weniger Aufmerksamkeit und Energie verlangt. So muss auch ein geübter Autofahrer wesentlich weniger Aufmerksamkeit auf die Bedienung des Autos aufwenden als ein Fahranfänger. Er kann sich dadurch besser auf den Straßenverkehr konzentrieren. Die Handlungsfolge sieht dadurch ganz einfach aus: Auslöser – Durchführung – Ergebnis und Kontrolle. Routine Und im Beruf ist es nicht anders: Untersuchungen zur Arbeitsleistung haben herausgefunden, dass der durchschnittliche Berufstätige maximal 4 – 5 Stunden am Tag wirklich 100% produktiv arbeitet, also hochkonzentriert an einer Sache arbeitet. Und auch das nicht am Stück, sondern in Blöcken von maximal 90 Minuten Dauer. Den Rest der Zeit verbringt er mit Tätigkeiten, die weitgehend standardisiert sind: Handgriffe, die er kennt und bei denen er nicht besonders gefordert ist. In diesen Phasen schaltet seine Hirnaktivität zurück. Dieser „Routinemodus“ ist notwendig, um in die nächste Leistungsphase überzugehen. Berufsanfänger sind daher meist abends wesentlich erschöpfter als erfahrene Mitarbeiter, weil für sie „alles neu“ ist, sie können viele Tätigkeiten noch nicht als Routine durchführen. Nutzen Wie aber helfen diese Erkenntnisse in der Dokumentation? Dazu muss man sich den Anwendungsfall vorstellen: Dokumentation wird üblicherweise dann konsultiert, wenn es „brennt“. Sei es, weil man an einem Schritt in der Software hängt („Wie sortiere ich die Tabelleninhalte?“) oder ein Störfall an der Maschine aufgetreten ist („Warum wird das Werkstück immer heißer?“) – die Hirnaktivität fährt hoch. Jetzt wird zur Dokumentation gegriffen („Wo steht das?“) und – hoffentlich – auch die passende Information gefunden und gelesen. Sobald der Leser wieder meint, auf vertrautes Terrain zu gelangen, schaltet die Hirnaktivität wieder herunter und er beginnt auf automatisierte Schritte zurückzugreifen. Wenn er jetzt erst Informationen erhält, die nicht in seine Routinetätigkeit passen, ist es zu spät: er sieht sie nicht mehr und beachtet sie auch nicht. Die wichtigen Informationen hätte man ihm mitteilen müssen, bevor er wieder in den „Routinemodus“ zurückgewechselt ist. Konkret In der Technischen Dokumentation könnte das so aussehen, dass der Leser schon in der Überschrift und vor Beginn der Tätigkeit die Information bekommt, die er in einem höheren Aufmerksamkeitsniveau auch verarbeiten kann: Abbildung, Sicherheit, benötigte Werkzeuge etc. Sobald er mit der Tätigkeit beginnt, darf ihn nichts mehr vom Objekt ablenken. Längere Tätigkeiten sollten in überschaubare Blöcke gegliedert sein, damit der Leser Zwischenergebnisse (und damit Kontrollen) hat, bevor er mit wieder erhöhter Aufmerksamkeit den nächsten Tätigkeitsschritt ansteuert. Das Aufmerksamkeitsniveau lässt sich damit als eine Wellenbewegung darstellen, in die eine Dokumentation den Leser hineinbringen soll. Nur dann kann er produktiv arbeiten und wird die Dokumentation als hilfreich betrachten. Und das wollen Redakteure ja auch erreichen. Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … dokumentation techdok
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