Räumliche Vorstellung: Das Eckige muss in das Runde 13.02.201918.03.2019 Jeder Fahrlehrer kann ein Lied davon singen: die meisten Probleme haben Fahrschüler (und auch später Autofahrer) beim Rückwärtseinparken und bei der Einschätzung der eigenen Geschwindigkeit in Bezug zu anderen Verkehrsteilnehmern. Im Straßenverkehr gelten natürlich aufgrund der hohen Geschwindigkeiten weit jenseits des intellektuellen Fassungsvermögens erschwerte Bedingungen, aber selbst in völliger Regungslosigkeit haben viele Menschen nur eine reduzierte Vorstellung der räumlichen Gegebenheiten. Während das bei der Gartenarbeit oder beim Spazierengehen kaum auffällt, kann es zum Problem werden, wenn Technik ins Spiel kommt: Stellen Sie mal ein Fahrrad auf den „Kopf“ (also auf Lenker und Sattel) und sagen Sie spontan, in welche Richtung sich die Räder drehen, wenn das Rad vorwärts fährt. Na? Kurz nachdenken müssen und mit dem Zeigefinger gewedelt? Alles in Ordnung, das ist völlig normal. Na gut, sagen Sie, im Alltag ist das eigentlich auch nicht notwendig. Wer stellt auch schon Fahrräder auf den Kopf? Ein Fahrrad ist allerdings ein relativ einfach zu verstehende technisches Bauteil – nichts (außer dem Freilauf) ist versteckt. So offensichtlich sind aber mittlerweile die wenigsten technischen Objekte unseres Alltags: jeder Küchenmixer und jede elektrische Zahnbürste sind weitaus komplexer als ein unmotorisiertes Zweirad – von einem Smartphone ganz zu schweigen. Wälzfräsmaschine (CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=206220) Bereits bei der Drehrichtung von Zahnrädern eines mehrstufiges Getriebes – noch dazu mit Schneckengetriebe wie in der Abbildung – kommen die meisten Betrachter ins Grübeln. Dafür sind wir Menschen gar nicht ausgelegt, es übersteigt unser räumliches Vorstellungsvermögen. Allerdings gibt es Unterschiede in der Art des räumlichen Vorstellungsvermögens, und eine sehr vereinfachte Kategorisierung kommt zunächst auf drei Arten: Nach Thurstone gehört Raumvorstellung zu den sieben sog. primary mental abilities der Intelligenztheorie von Thurstone und unterteilt sich in drei Faktoren: Veranschaulichung (Visualization), räumliche Beziehungen (Spatial Relations) und räumliche Orientierung (Spatial Orientation). Veranschaulichung steht für die gedankliche Vorstellung von Bewegungen. Diese umfasst mentale Rotationen, räumliche Verschiebungen oder Faltung von Objekten oder ihrer Teile. Räumliche Beziehungen steht für die Fähigkeit, die räumlichen Konfigurationen von Objekten oder ihrer Teile zu erfassen. Anders ausgedrückt bezeichnet es die Fähigkeit, ein Objekt aus unterschiedlichen Perspektiven zu identifizieren. Räumliche Orientierung steht schließlich für die richtige räumliche Einordnung der eigenen Person in eine räumliche Situation. (Quelle: wikipedia) Visualisation Lassen wir einmal die sehr anthropozentrierte Sicht beiseite, dass Raumvorstellung zu den primären Fähigkeiten der menschlichen Intelligenz gehört1, lässt sich zumindest feststellen, dass sich das Bild oben auf die Visualisierung bezieht, also die Fähigkeit, Objekte mental zu bewegen. Da wir Menschen damit Probleme haben, benutzen wir unsere Hände und Finger und „drehen“ das Objekt, indem wir unsere Gliedmaßen als „Gedankenstütze“ verwenden – was übrigens bereits Kleinkinder machen, bevor sie laufen lernen: sie greifen nach Gegenständen in ihrer Umgebung, sie versuchen die Welt um sich herum zu „begreifen“. Diese Fähigkeit erlernen wir Menschen spielerisch, und darin haben wir es weiter gebracht als andere Tiere auf diesem Planeten, denn nur durch diese Fähigkeit sind wir in der Lage, Werkzeuge zu bauen und unsere physische Begrenztheit drastisch zu erweitern – vermutlich weiter, als wir sie selbst mental erfassen können. Räumliche Beziehungen Der zweite Teil des Dreigespanns, die „räumliche Beziehung“ sieht auf den ersten Blick schon einfacher aus für uns Menschen, denn ohne sie würden wir eine Bierflasche nicht von einer Blumenvase unterscheiden können – zumindest bis wir daraus getrunken haben. Aber so einfach ist es nicht. Die Fähigkeit, physische Objekte wie Bäume und Bauklötze zueinander in Beziehung zu setzen und sie zu unterscheiden erfordert Erfahrung. Wer ein Objekt nicht kennt, kann es auch nicht wiedererkennen. Wer nicht weiß, wie groß ein Tiger im Unterschied zu einer Hauskatze ist, kommt ihm vermutlich näher als es der eigenen Gesundheit zuträglich ist. Hier ist unser Differenzierungsvermögen gefragt, in einem sehr dreidimensionalen Sinn: Ist der Lastwagen eher breit als hoch, fährt er vorbei. Ist er eher hoch als breit, kommt er auf mich zu. Um hier sicher zu werden, müssen wir lernen: lernen zu unterscheiden und lernen zu klassifizieren. Das kann unser Verstand recht gut, wenn wir ihn nur regelmäßig „füttern“. Räumliche Orientierung OMG! Diese Fähigkeit gehört zu den eigentlich vorhandenen, aber vermutlich ungepflegtesten Fähigkeiten des Menschen. Besonders in industrialisierten Gesellschaften, die sich nur noch wenig mit eigener Körperkraft fortbewegen, ist die Fähigkeit der räumlichen Orientierung erstaunlich unterentwickelt: wir fallen selbst beim Fotografieren von der Klippe und können nicht einmal den Mindestabstand auf der Autobahn einhalten. Wir haben kein „Gefühl“ für Geschwindigkeit, wir kommen kurz ins Grübeln, wenn man uns sagt, wir sollen den linken kleinen Zeh bewegen – kurz: wir sind motorisch meist völlig unterbelichtet und neigen daher dazu, uns zu verschätzen und deswegen im Raum schneller zu bewegen als wir es mit unserem Verstand verarbeiten können. Da passt dann der dreidimensionale Raum nicht mehr in unseren runden Schädel. Ergo Vieles von unseren Fähigkeiten ist „nur“ unterentwickelt oder in seiner Begrenztheit unberücksichtigt. Wer als Kind viel mit Bauklötzen gespielt hat (vor allem mit den bunten mit den Noppen dran), oder wer sich häufig mit eigener Körperkraft fortbewegt (vor allem abseits der autogerechten Verkehrswege), oder wer einfach bei vielen Objekten zweimal hinschaut, tut sich meist leichter bei der räumlichen Vorstellung. Letzteres ist aber nur meine persönliche Erfahrung… Jedes Insekt – und vor allem Bienen – können sich besser räumlich orientieren als der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer, der ohne Navi hoffnungslos verloren ist… Man muss sich nur einmal ansehen, wie ein Waschbär oder eine Krähe in der Lage sind, „um die Ecke“ zu denken, um an Futter zu kommen. ↩Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … thinkware GesellschaftTechnik
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