Die Geschichte von den Heizkörpern 28.11.202030.01.2021 Und wieder eine Geschichte über einen fernen Planeten, auf dem sich seltsame Dinge ereignen und Menschen vor Herausforderungen gestellt werden, die den unseren sehr ähnlich sind. Nur vielleicht viel komplizierter – vor allem im Winter… Auf diesem seltsamen Planeten gibt es nur ein einziges Haus, denn er ist so klein, dass mehr als dieses Haus gar nicht darauf passt. Das Haus ist dafür so groß, dass es den gesamten Planeten bedeckt – und nicht nur das, es besteht nur aus einem einzigen Raum. Der Raum ist zwar durch Stellwände getrennt, aber nicht durch Türen und Mauern. So kann zwar die Luft im Raum sehr schön zirkulieren, aber natürlich auch die Gerüche. Es kann schon vorkommen, dass eine Familie oder Gruppe durch ihre Kochkünste dafür sorgt, dass eine andere Gruppe sich gestört fühlt und die Fenster aufmacht oder ein Stück weiter zieht, wenn der Geruch allzu unerträglich wird. Oder auch, dass eine Familie mit einer anderen zusammenzieht – um zusammen zu kochen, um voneinander zu lernen oder einfach, um zusammen zu leben. Und natürlich muss dieser Raum auch beheizt werden, denn draußen ist es sehr kalt, vor allem im Winter. Da der Raum sehr groß ist, gibt es natürlich zahlreiche Heizkörper, die jedoch nicht ganz regelmäßig entlang der Wände verteilt sind. Manche der Heizkörper sind groß, andere werden gerade mal lauwarm – egal wie weit man sie aufdreht. Manche der Heizörper werden regelmäßig entlüftet, damit sie immer optimal Wärme ausstrahlen, manche der Heizkörper bollern relativ ungeregelt vor sich hin und man darf nicht zu nahe sitzen, um sich nicht zu verbrühen, so heiß sind sie. Manche der Heizkörper können gar nicht richtig geregelt werden, weil ihre Ventile nur auf oder zu gehen und keine feinere Einstellung erlauben. Da manche der Gruppen im Raum größer sind und besonders kälteempfindlich, haben diese ihre Heizkörper oft sehr weit aufgedreht, so dass sie nicht nur sich selbst wärmen, sondern auch die weniger empfindlichen Gruppen in der Nähe gleich mit. Diese benachbarten Gruppen haben auch keine so großen Heizkörper, die gar nicht so viel Wärme produzieren können. Sie besuchen manchmal ihre wohltemperierten Nachbarn, auch wenn sie die Hitze der Heizkörper eigentlich gar nicht mögen. Da auch die Lüftung nur begrenzt leistungsfähig ist, wird es im Lauf der Zeit im Raum immer wärmer. Die kälteempfindliche Gruppe findet das zunächst natürlich gut, denn so kann sie sich immer weiter von ihrem wärmespendenden Heizkörper aufhalten ohne frieren zu müssen – es ist für sie ein Luxus. Die weniger kälteempfindlichen Gruppen und Familien aber freuen sich nicht so uneingeschränkt, denn der munter weiterlaufende Heizkörper der einen Gruppe erzeugt mittlerweile so viel Wärme, dass sie gerne lüften würden, was aber nicht funktioniert, da sonst sofort die Kälteempfindlichen protestieren und sofort ihre Heizung noch weiter aufdrehen würden – was natürlich die Raumtemperatur weiter erhöht. Es gibt also Redebedarf: wer darf seine Heizung wie weit aufdrehen, um seinen Wärmebedürfnissen zu entsprechen und trotzdem den Raum nicht zu überhitzen? Dazu kommt, dass durch die hohe Temperatur in der Raumecke der Kälteempfindlichen auch manche Außenwände stark in Mitleidenschaft gezogen werden: Die Wände haben an manchen Stellen schon Risse durch den zunehmenden Temperaturunterschied zwischen innen und außen. Ganz besonders Schlaue haben bereits herausgefunden, dass diese Risse sogar einen Teil der Wände zum Einsturz bringen können. Damit wären alle Bewohner des Raums dem kalten Winter ausgesetzt. Und da man nicht vorhersagen kann, an welchen Stellen die Wände nachgeben, beschließt man die einzig sinnvolle Maßnahme: die Temperatur muss sinken – oder zumindest nicht weiter steigen, um Zeit zu gewinnen, die Risse zu kitten. Da die Kälteempfindlichen die besonders großen Heizkörper besitzen und daher auch zum Anstieg der Temperatur am meisten beitragen, fordert die Gemeinschaft aller Gruppen, dass man dort die Heizkörper auch am meisten drosselt, denn das habe den größten Erfolg. Diese Forderung stößt auf den erbitterten Widerstand der Kälteempfindlichen, die zu Recht befürchten, ab sofort nur noch in der Kälte zu sitzen.1 Sie wollen nicht als Einzige im Kalten sitzen, weil sie am meisten für die Risse verantwortlich sind. Die anderen Gruppen und Familien aber, die weniger heizen, sollen auch ihren Beitrag leisten, immerhin seien ja alle im gleichen Raum. Das sei ungerecht, protestieren nun diese, denn erstens würden ihre schwächlichen Heizkörper kaum zum Temperaturanstieg beitragen und zum anderen könnten sie ihre Heizkörper nur an- oder ober abschalten, mehr sei technisch nicht möglich. Nach langen Verhandlungen zwischen Vertretern der einzelnen Gruppen einigt man sich darauf, dass man die Wärmeproduktion von der Anzahl der Mitglieder der Gruppe abhängig macht. Dabei stellt sich heraus, dass tatsächlich die Kälteempfindlichen weit über das Maß hinaus heizen, mit dem die Wand noch stabil bleibt. Alleine diese Einsicht hat aber lange gedauert, und die Heizungen sind in der Zwischenzeit weitergelaufen – bei den Kälteempfindlichen sogar noch mehr als vorher, da sie befürchten, dass Menschen sterben, wenn sie die Temperatur senken und ab und zu Decken zum Wärmen benötigen werden wenn die Temperatur sinkt. Und viele Decken haben sie sowieso nicht, weil sie die ja auch nie benötigt haben… Aber die Risse in der Wand werden größer, an manchen Stellen beginnt schon der Putz zu bröckeln. Da erreicht die nächste Hiobsbotschaft die Verhandler: die Gruppe der Kälteempfindlichen weiß gar nicht, wie man die Heizung herunterregelt, das haben sie noch nie gemacht. Sie hätten schon Mühe, das Ventil überhaupt in die Schließrichtung zu bewegen, denn bislang haben sie immer nur geöffnet. Man beginnt, nicht nur den Sinn des Heizens in Frage zu stellen, sondern auch die Schlauen zu kritisieren, die die Risse und die Temperatur in einen Zusammenhang stellen. Selbst eine Verschwörung der Deckenbesitzer wird vermutet, die von einer Absenkung der Temperatur ja eher noch profitieren können. Unter den Kälteempfindlichen regiert mittlerweile mehr die Angst vor dem Absenken ihrer Heizkörpertemperatur als vor dem Einsturz einer Wand. Und weit weg von den Kälteempfindlichen haben die ersten Wände mittlerweile Risse, durch die man draußen die klirrende Kälte sehen kann. Ein Knirschen in der Wand ist hörbar, aber glücklicherweise wird es vom Geschrei übertönt… Bildquellen: https://www.thisoldhouse.com/heating-cooling/21015031/take-a-good-look-at-vintage-radiators Gerade weil es zuvor noch so schön warm war, ist das natürlich nur allzu verständlich. ↩Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … thinkware KlimaKlimaschutzUmweltschutz
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