Pappschachteln und Pappnasen 19.11.201030.12.2023 Es doch immer wieder erstaunlich, wie groß die implizierte Technikgläubigkeit bei Politikern ist: kaum zeigt man ihnen eine technische Möglichkeit, lassen sie alle ethischen, sozialen und auch finanziellen Erwägungen sausen und stellen das m.E. eh schon gering ausgeprägte eigene Denkvermögen vollständig ein. Da hat das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gekippt, nachdem nicht nur ein paar Spinner, sondern zigtausend Bürger aus allen Bevölkerungsschichten per Verfassungsklage dagegen geklagt hatten. Kaum sechs Monate später löst eine Pappschachtel die vermeintlich ad acta gelegte Debatte1 wieder aus. „Daten speichern!“ schallt es wieder aus der versammelten Inkompetenz der Innenministerkonferenz. Da nützt es auch wenig, wenn Heribert Prantl in der Süddeutschen an die Demokratie als solche appelliert, die selbst ein terroristischer Anschlag nicht aus dem Lot bringen kann – ganz im Gegensatz zu der polizeistaatlichen Maschinerie, die hinter einer Vorratsdatenspeicherung steckt. Denn auffallend ist, dass die Innenminister ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben: sie haben immer noch keine weiteren Überlegungen angestellt, wie sich eine Demokratie gegen Attentäter oder Pappschachtelverschicker wehren kann, ohne sich gleich selbst zu verraten und verkaufen. Statt dessen sind sie in die Wahlkämpfe gezogen als Realitätsverleugner, haben Ressentiments geschürt, Integrationsprojekte gestoppt und Sprachunterricht gekürzt2. Und schon kommt da die Pappschachtel und die Pappnasen löchern wieder die Gemeinschaft, wollen Grundrechte aushöhlen und Sicherheit vorgaukeln. Denn ehrlich: welcher Anschlag ließe sich verhindern, wenn man im Nachhinein Daten auswertet? Die Mittel, die jetzt schon eingesetzt werden dürfen, sind weitreichend genug. Man müsste sie nur mit Leben erfüllen statt ständig zu demonstrieren, dass einem die Demokratie scheißegal ist. Hauptsache man kann sich aus der Verantwortung stehlen. Sechs Monate sollten auch für die längste Leitung auf dem Weg zum Hirn eigentlich reichen. ↩Wer glaubt, dass Unterricht ein Auftrag der Kultusminister sei, irrt: Lehrer sind Beamte und unterstehen damit den Vorgaben der Innenminister. ↩Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … Politik Vorratsdatenspeicherung
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