Antizipatives Schreiben: Weiter als der eigene Horizont 12.04.201102.10.2015 Wir Technischen Redakteure kennen das: „Mach mal ne Doku, wir brauchen die Unterlagen bis zum xten!“ Zeitlich ist das meist zu schaffen, denken wir und fragen schon mal die Ingenieure, was sie in der Dokumentation gerne hätten. Eine Betriebsanleitung soll es werden. Das Produkt ist in der fast abgeschlossenen Prototyp-Phase, wir haben also keine Möglichkeit, uns schon in vorhandene Informationsquellen einzuarbeiten, wir müssen darauf vertrauen, dass der Käufer schon weiß, warum er das Produkt haben will und was er damit anfangen kann. Und dann beginnen wir zu schreiben. Bloß nicht! Für eine Gliederung eignet sich prinzipiell jede Textverarbeitungs- oder Visualisierungssoftware Das Denken sollte man jedoch nicht der Software überlassen, die ist dafür nicht gemacht. Die kann nur Null und Eins … Denn was bei diesem wohl bekannten Szenario herauskommt, ist eine Produktdokumentation: ein mehr oder weniger ordentlich zusammengestelltes Stück Produktbeschreibung. 150 Seiten Text mit Darstellungen, wie toll das Produkt ist und was es alles kann, gespickt mit technischen Details und Tabellen. Mal ehrlich: das kann man nicht lesen. Und wir sollten jetzt nicht den Fehler machen und davon ausgehen, dass ein vorgebildeter Leser das anders sieht als ein angelernter. Es ist für keinen Menschen lesbar. So hat man das früher gemacht, als man dachte, dass sich gute Produkte von alleine verkaufen. Das tun sie aber nicht mehr. Zunehmende Komplexität zwingt zur Antizipation Der Leser von heute will in einer zunehmend komplexeren Welt nicht alleine gelassen werden mit dem Produkt. Er hat keine Zeit zum Ausprobieren, er steht unter Zeitdruck, mit dem erworbenen Stück produktiv sein zu müssen. Das gilt für Kaffeemaschinen genauso wie für Hochleistungsfräsen. Der Käufer hat zwar eine Vorstellung von dem, was er mit dem Produkt machen möchte, aber keine Ahnung, wie das gehen soll. Er besitzt nur einen einzigen Zugang zu dem Produkt: unsere Dokumentation. Und jetzt stehen wir in der Verantwortung: helfen wir ihm? Oder zeigen wir ihm, dass es uns völlig schnuppe ist, wie er damit weiter kommt, schließlich hat der das gute Stück ja schon gekauft und dadurch ist es seine Verantwortung. Wie würden wir uns vorkommen, wenn uns klar wird, dass wir ein Produkt gekauft haben, dessen Hersteller uns eigentlich nur für eine Kuh hält, die er melken kann? Eine kurze Nabelschau kann uns dabei auf den richtigen Pfad führen: Was erwarten wir von einer Dokumentation? Visualisierung eines Inhaltsverzeichnisses (hier mit OmniGraffle) Sei es ein Computer oder ein neuer Router, ein Küchenmixer oder Rasenmäher – wir sind darauf angewiesen, dass die Probleme, die mit dem Produkt auftreten können, auch in der Dokumentation ihren Widerhall finden. Wie bediene ich es, was tue ich, wenn es klappert? Wie schalte ich es aus und wo bekomme ich Ersatzteile? Das sind keine Fragen, die sich nur der unerfahrene Laie stellt – das geht auch den Spezialisten so. Diese und viele andere mögliche Fragen müssen wir in unserer Dokumentation vorwegnehmen. Eine gute Dokumentation zeichnet sich dadurch aus, dass eine Frage beim Benutzer auftaucht, er in die Dokumentation schaut und feststellt, dass der Redakteur auch daran schon gedacht hat, dass er gewillt ist, mir unter die Arme zu greifen. Und sei es nur, indem auf einen anderen Spezialisten verwiesen wird. Der Weg als Ziel Wie aber macht man das? Wie kann ich vorweg nehmen, welche Fragen der Benutzer haben wird? Dadurch, dass wir eine einfache Reihenfolge einhalten: erst denken, dann schreiben. Das mag trivial klingen, ist es aber meist nicht. Oft steht uns die eigene Vorerfahrung im Weg, oft auch der Zeitdruck. Was dabei immer hilft, ist das Hineinversetzen in die Lage eines Benutzers. Dieses Sich-Hineinversetzen müssen wir dann dokumentieren. Dabei stellen wir uns vor, dass auch der Benutzer nicht vor der Maschine steht, sondern vor der Dokumentation. Er klappt sie auf (oder startet die Onlinehilfe): was sieht er? Motiviert es ihn zum Umblättern? Hat er den Eindruck, er findet sofort das, was er sucht? Wir sollten es selbst einmal durchspielen: kann ich meiner Dokumentation vertrauen? Wohlgemerkt: noch sind wir in der Planungsphase, noch schreiben wir nicht. Das Schlimmste, was uns in dieser Phase passieren kann, ist sie aus Angst vor Zeitknappheit zu verkürzen. Daher stellen wir uns als Nächstes eine Gliederung auf, eine Art Inhaltsverzeichnis der anzusprechenden Punkte. Diese bringen wir – immer unter dem Aspekt der Vorläufigkeit – in eine Reihenfolge, die auch für den Benutzer logisch erscheinen kann. Mit diesem vorläufigen Inhaltsverzeichnis haben wir schon mehr als die Hälfte des Weges zurück gelegt. Jetzt erst füllen wir die Punkte mit Inhalt. Jetzt beginnt der handwerkliche Teil, den unsere Kunden erwarten. Aber ohne Schritt eins fallen wir mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Schritt zwei auf die Nase. Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … redaktion
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