Optimieren? Och nö! 05.01.201705.01.2017 „Optimierung“ gehört zu den Monstranzen, die im Beruf, im Alltag und manchmal auch in der Selbstverwirklichung einer Prozession aus Beratern und Ratgebern vorangetragen wird. Sie ist die Ultima ratio der Zivilisationsentwicklung. Wirklich? Bevor wir uns Gedanken über den Sinn machen, schauen wir uns eine kleine Definition an. Die Optimierung von Abläufen in der Technischen Dokumentation (und eigentlich allen anderen Prozessen auch) besteht aus drei Schritten: Strukturierung: komplexe Abläufe werden „heruntergebrochen“ in Teilschritte, bis sich ein Muster erkennen lässt. Modularisierung: Die Teilschritte eines Prozesses werden getrennt betrachtet und ihre Schnittstellen (Voraussetzungen, Folgen etc.) werden definiert. Standardisierung: die Teilschritte werden vereinheitlicht, damit sie als Routine ablaufen und durchgeführt werden können (beispielsweise mit Hilfe von SOPs, Standard operating procedures). Klingt unheimlich abstrakt, und viele Geschäftsführer und Manager geben massenhaft Geld dafür aus, damit ihnen jemand erklärt, wie diese Schritte in ihrer Organisation umgesetzt werden können, müssen oder sollen: Wie werden Leistungen abgerechnet, wie werden Aufträge definiert, wie werden Stellenbeschreibungen festgelegt, wie werden die Prozesse im Rahmen eines Qualitätsmanagements überwacht und an welchen Stellen darf eingegriffen werden und von wem … All das Zeug halt, das einem normalen „Werktätigen“ die Haare zu Berge stehen lässt und für ihn nach kapitalistischer Ausbeutung riecht. Vor allem aber nach Ärger und möglicherweise sogar Arbeitsplatzverlust. Und irgendwie stimmt es ja auch: wenn der Prozess in den Mittelpunkt rückt, muss der Mensch als Individuum zur Seite rutschen („Nehmen Sie es nicht persönlich, aber wir haben hier keine Verwendung mehr für Sie, nachdem wir uns jetzt kompakter aufgestellt haben.“). Immer entsteht dabei – zu Recht – der Eindruck, es ginge nur darum, die „Ressource“ Mensch noch ein bisschen mehr auszuquetschen, ihm den Glauben an den Wert seiner eigenen Tätigkeit zu rauben und ihn als namenlosen Datenbankeintrag verwalten zu können. Muss das sein? Die Frage ist falsch: Muss man sich das gefallen lassen? „NEIN!“ brüllt die geknechtete proletarische Seele, die Arbeit als einen Tauschhandel von Lohn gegen Zeit sieht. Das ist aber zu kurz gesprungen. Denn ehrlich: die Ergebnisse dieser Optimierungen genießen wir gerne: billigere Kleider, schnellere Lieferungen, höhere Produktqualität – all das entsteht ja nicht, weil sich irgendwo ein Arbeiter nun extra für uns besonders viel Mühe gemacht hat, auch wenn er nur einen Hungerlohn bekommt. All das gibt es, weil die Optimierung von Prozessen unaufhaltsam voranschreitet: Aus der Manufaktur wurde die Industrie, aus dem Handwerker wurde die Serviceabteilung. Optimierung ist unausweichlich: je mehr Menschen in Städte ziehen und das Land den Anschluss verliert (vor allem informatonstechnisch und bildungspolitisch), desto größer wird der Optimierungsdruck. Statt nun kategorisch das Unausweichliche abzulehnen, sollten wir uns Gedanken darüber machen, wie wir damit umgehen: Wenn ich für die gleiche Arbeit oder eine höhere Qualität weniger Zeit benötige oder weniger Stress erfahre, kann ich diese Muße nicht vielleicht nutzen? Beispielsweise zur Fortbildung oder zur Allgemeinbildung?1 Die Ressource Zeit, die ja optimiert werden soll, steht nicht nur dem Chef zur Verfügung, wir haben sie auch. Weniger Stress soll ja auf manche Leute sehr entspannend wirken. Und wenn wir schon Zeit gewinnen, was machen wir damit? Können wir sie nicht für uns nutzen, sie uns einteilen, für die Erweiterung unseres eigenen Horizonts einsetzen? Leider bedeutet dies oft auch, zunächst aus der Wohlfühlzone (die ja keine ist, da wir ständig darüber klagen) herauszugehen und sich zu überlegen, was man täte, wenn man vielleicht nicht mehr Geld, aber mehr Zeit hätte. Und dann den Mut aufzubringen, dies auch umzusetzen. Es ist schließlich unser Leben. Machen wir was draus! Sollten Sie den Drang verspüren, diese Überlegungen zu kommentieren oder ihnen zu widersprechen: unten gibts eine Kommentarfunktion. Mich als Redakteur beispielsweise mit neuen Kommunikationsmedien und ‑techniken beschäftigen? Oder eine Fortbildung in Didaktik machen? ↩Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailBlueskyMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … Gesellschaft thinkware Work
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