Mein digitales Schlauchboot 01.07.201706.09.2017 Deutschland ist kein Land für Technikverliebte. Hier wird Kindern der Gebrauch digitaler Kommunikationsgeräte aus Gesundheitsgründen untersagt und Behörden drucken selbst Kurznachrichten aus.Seltsam ist es schon: das Land, das mit der Industrialisierung reich geworden ist, besitzt ein tief sitzendes Misstrauen gegenüber technischen Neuerungen. Hier rollten die ersten motorgetriebenen Fahrzeuge (Daimler) über die Straßen und hier baute man das erste Telefon (Reis). Aber es zu einem Gebrauchsgegenstand gemacht haben es andere Länder, vor allem das Mutterland der Massenfertigung, die USA (Ford, Bell). Vielleicht kommt daher auch eine gewisse Ablehnung des „großen Vetters“, den man erst unterschätzt hat und ihm nun meint ausgeliefert zu sein. Denn selbst wenn in der Schweiz der erste Browser entwickelt wurde – das Internet ist eine Erfindung von jenseits des großen Teichs, mit der vor allem jene Generation Probleme hat, die nicht zu den „Millenials“ zählt oder aufgrund der politischen Verhältnisse die Entwicklung nicht miterleben konnte. Denn neidlos muss man anerkennen: was Gutenberg1 mit seinem Buchdruck auslöste, war ihm sicher selbst nicht bewusst: Aus dem Buchdruck mit beweglichen Lettern folgte die Alphabetisierung der Bevölkerung und damit ein kultureller Aufschwung, der die Kommunikation und dadurch auch die Herrschaftsverhältnisse revolutionierte. Um etwas von jenseits der eigenen Landesgrenzen zu erfahren, musste man nicht mehr dorthin reisen, sondern konnte darüber lesen. Um zu wissen, wie man Brote backt, musste man nicht in die Bäckerlehre gehen, sondern konnte die Rezepte aufschreiben. Der Horizont wurde weiter und die Welt wurde kleiner. Ein ähnliches Phänomen ist die Entwicklung der Smartphones: sie sind die Erben der technischen Entwicklungen des Internets einerseits2 und der Rechenmaschinen anderseits. Smartphones ohne Internet sind nicht mehr als ein (mehr oder weniger) schicker Haufen Glas, Metall und seltener Erden. Erst mit diesem gewaltigen Datenmeer, verwaltet und gelagert auf einer unfassbar großen Anzahl digitaler Speichermedien, besitzen sie einen nahezu unbegrenzten Funktionsumfang. Es ist kein Wunder, dass dies für ältere Generationen furchteinflößend und abschreckend wirkt: Es ist wie die „Matrix-Trilogie“, „Brave New World“ und „1984“ auf einmal. Wer sich da keinen kindlichen Spieltrieb und Neugierde erhalten hat, der rutscht heraus, strandet quasi auf einer einsamen Insel und hofft, Mitgestrandete zu finden, die auch nicht schwimmen können oder Boote besitzen. Für diejenigen unter uns jedoch, die sich ihre Begeisterung und ihren Optimismus erhalten haben, sind Smartphones wie digitale Schlauchboote: wir fahren damit die Küsten ab und trauen uns auch manchmal auf die offene See hinaus – auch hinter den Horizont, wo vielleicht etwas Neues darauf wartet, entdeckt zu werden. Wir packen uns die Apps ein, von denen wir hoffen, dass sie uns unterwegs nützlich sein können. Wir verlassen die vertrauten Gestade und hoffen, vielleicht wieder zurückzukehren. Dabei geht es noch nicht einmal um Ruhm und Reichtum, den wir erwarten – es ist schlicht das, was schon früher Menschen dazu trieb, Bücher zu lesen über fremde Länder: die eigene kleine Welt zu erweitern. Wohl dem, der ein gutes Schlauchboot hat. In diesem Sinne: Happy Birthday, iPhone und Konsorten! Schon wieder ein Deutscher, dessen Erfindung erst im Ausland, in Venedig, der „Marktdurchbruch“ gelang … ↩Auch das Internet ist ja eine Evolution des Telefons und des Telegrafen. ↩Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … thinkware
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