Kritzeln auf Tafeln, Teil 4: OmniGraffle 07.10.201701.05.2019 In der Computerwelt – und damit in allen Bereichen des Lebens, in die eine elektronische Datenverarbeitung jeglicher Form eingreift – gelten drei Jahre als eine Generation. In dieser kurzen Zeitspanne verdoppelt sich etwa die Leistungsfähigkeit der Hardware. Und die Software hält Schritt. Es ist daher nicht so, dass es wenig Software für Tablets gibt, nur weil die Dinger noch vergleichsweise neu sind. Es ist auch durchaus verständlich, dass die rasante Entwicklung selbst für Jüngere nicht mehr nachzuvollziehen ist. Aber sie findet statt. Jahrzehntelang hat man sich mit den begrenzten Möglichkeiten abgefunden, hat Excel missbraucht, um Termine zu planen und in PowerPoint gemalt, um Konzepte zu visualisieren, hat E‑Mails mit Word geschrieben und sie dann als E‑Mail-Anhang verschickt, obwohl die fünf Zeilen Text auch direkt in die Nachricht gepasst hätten… Und die Möglichkeiten waren ja nicht nur begrenzt im Hinblick auf Apps, sondern auch im Hinblick auf die Erreichbarkeit der Hardware: so bequem und augenschonend es auch sein mag, mit zwei Bildschirmen an einem gut ausgeleuchteten Arbeitsplatz zu arbeiten, die gedankliche Leistungsbereitschaft lässt sich darauf nicht beschränken. In einem häufiger zitierten Interview vor 27 Jahren äußerte sich ein junger Stephen P. Jobs über die Aussichten und die Bedeutung der Computer für die menschliche Entwicklung, indem er sie mit der Effizienz verglich, die eine Fortbewegung mit Fahrrad habe: I think one of the things that really separates us from the higher primates is that we’re tool builders. I read a study that measured the efficiency of locomotion for various species on the planet. The condor used the least amount of energy to move a kilometer. … And a man on a bicycle completely blew the condor away, completely off the top of the chart. And that’s what a computer is to me. What a computer is to me, is it’s the most remarkable tool that we’ve ever come up with. It’s the equivalent of a bicycle for our minds. And we are just at the very beginning… Man kann sich natürlich trefflich über die Analogie streiten (und sie ist auch nicht korrekt), aber der letzte Teil des Interviews hat sich als bemerkenswert weitsichtig erwiesen: Wir stehen gerade erst ganz am Anfang einer (nicht aufzuhaltenden) Entwicklung, bei der die Übergänge von Technik, Software und menschlichem Denken zunehmend verschwimmen. So wie bei den Tablets und Smartphones die Trennung zwischen den Eingabegeräten und dem Computer selbst verschwindet, die Schnittstellenproblematik („Ich habe gerade nicht den passenden Adapter für den Druckeranschluss!“) eigentlich der Vergangenheit angehört, und der Datenaustausch kein wirkliches Problem mehr darstellt1, so rücken auch die Geräte dem Menschen immer näher. Das kann man ablehnen oder ignorieren – aufhalten kann man es nicht.2 Von diesen Veränderungen profitiert auch der Technische Redakteur, denn so wie sich die Anforderungen ändern, so ändern sich auch die Prozesse, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Man muss gar nicht mal so weit gehen, um ein Anwendungsszenario zu finden, dem sich Technische Redakteure zunehmend stellen müssen. HTML5 und Wireframes Keine Panik. Kein Technischer Redakteur muss HTML beherrschen oder sich mit den Feinheiten der CSS auskennen, geschweige denn JavaScript beherrschen oder wissen, wie man Webfonts einbindet. Aber er muss wissen, dass auf kurz oder lang seine Dokumentation auch auf Tablets und Smartphones gelesen werden wird – und zwar mit allen Funktionalitäten – und nicht mehr nur als „dumme“ PDF zum Download und Druck angeboten werden soll. Die Anforderungen steigen. Auch an die Technische Dokumentation. Neben der inhaltlichen und strukturellen Überarbeitung („Müssen es 12-spaltige Tabellen sein?“ – „Wozu brauchen wir 6 Überschriftenhierarchien?“) kommt auch die Frage auf ihn zu, wie die Dokumentation dann auf den Endgeräten erscheinen soll, damit sie auch wirklich benutzbar ist. Denn Mobilgeräte haben eben nicht nur ein Seitenformat oder festgelegte Seitenverhältnisse, sondern pro Bildschirm zwei Drehrichtungen, an die sich der Inhalt anpassen muss. Das muss bedacht werden, wenn man eine Dokumentation plant: Die dargestellten Objekte sind auf unterschiedlichen Bildschirmen möglicherweise unterschiedlich angeordnet. Die dargestellten Objekte sind möglicherweise unterschiedlich vollständig (z.B. Navigation wird im Querformat vollständig als Liste angezeigt, im Hochformat aber nur als Icon). Die Überschriften sind möglicherweise zu lang für die Navigation – aber nur auf Smartphones. Die Ladezeiten hängen vom Netzwerk ab, das vor Ort zur Verfügung steht (GPRS? LTE? WLAN?). Hochauflösende Bildschirme brauchen hochauflösende Grafiken, die wiederum zu großen Dateien und langen Ladezeiten führen. Wie groß ist die Schrift? Wie groß sind die Icons? Wieviel Platz wird für Funktionen benötigt (Navigation, Scrollen, Suche, …)? Wie wird das Gerät gehalten oder befestigt? Werden dadurch Funktionen verdeckt oder versehentlich ausgelöst? Die Liste lässt sich noch lange fortsetzen. Um aber einen Eindruck von der Problematik zu bekommen, ist es fast unausweichlich, sich ein „Wireframe“ zu erstellen, also einen Dummy ohne Funktion und ohne Inhalt. Mit dem Wireframe lässt sich auch die Usability durchspielen, die Bedienung erahnen und die Schwierigkeiten, auf die ein Benutzer stößt. Der größte Vorteil der Wireframes: Dazu muss man keine einzige Zeile Code schreiben – im Gegenteil. Man kann dem Programmierer sehr gut vermitteln, was er bei der Entwicklung des Mockups und des Templates berücksichtigen muss – und was der Redakteur dann beim Befüllen mit Inhalten wissen muss. Dies spart enormen Aufwand bei der Nachbesserung.3 OmniGraffle Ein Werkzeug, dass für Planung und Konzeption einer Technischen Dokumentation fast schon elementar ist, steht auch auf einem iOS-Gerät zur Verfügung: OmniGraffle.4 Der Beginn eines Wireframes für ein Tablet im Querformat. Das Template für ein Wireframe liefert die App gleich mit. Einmal geöffnet, lassen sich mehrere Seiten anlegen und auch Ebenen, um die Objekte besser trennen zu können. Die Ebenen lassen sich auch sperren, umbenennen und verschieben. Wie auch bei der Desktop-Version gibt es „shared Layers“, also gemeinsam genutzte Ebenen für mehrere Seiten, um beispielsweise für das Wireframe eines Tablets das Grundgerüst nur einmal pflegen zu müssen. Im Unterschied zu den bisherigen Apps dieser Reihe liegt der Schwerpunkt hier nicht auf dem kreativen Malen, sondern auf der Anordnung, Anpassung und Manipulation von Objekten bis hin zur Verknüpfung mit einfachen Aktionen wie dem Aufruf einer Internetseite beim Berühren eines Objekts. Bei der Verteilung und Anordnung der Objekte unterstützen die automatisch eingeblendeten Hilfslinien und Maßangaben. Und ähnlich wie Visio können die Objekte miteinander verknüpft werden, so dass in einem Ablaufdiagramm nicht alle Pfeile neu gezeichnet werden müssen, sobald Objekte verschoben werden. Die Objekte können dabei sowohl mit einem Stift wie auch mit den Fingern manipuliert werden. Allerdings erfordert die App aufgrund ihres enormen Funktionsumfangs eine gewisse Einarbeitung, vor allem, wenn man sie nicht schon vom macOS gewöhnt ist. Die Bildschirmaufteilung eines senkrecht gehaltenen Smartphones stellt eine besondere Herausforderung dar, denn hier geht es naturgemäß sehr eng zu. Hier wird um jedes Pixel gefeilscht. Fazit Mit OmniGraffle lassen sich nicht so sehr Anmutungen von Icons zeichnen wie mit einem Stift auf Papier (oder einer App aus der bisherigen Reihe), sondern tatsächlich Icons nach Vorgabe entwerfen (auch dafür liefert die App eine Vorlage). Das Gleiche gilt für alle Visualisierungen, die auf geometrischen Formen beruhen, wie Konzeptmaps, Flowcharts, Balken- und Tortendiagramme, Grundrisse usw. Aber Obacht: die App ist nicht billig, auch wenn man sie kostenlos im App Store laden kann. Dort erhält man nämlich kostenlos eine zweiwöchige Testversion, bevor man sich für eine komplexere Pro-Version (100 $) oder die normale Version (50 $) entscheiden muss. Wer nichts bezahlt, kann allerdings die Testversion als reinen „Viewer“ behalten, um die Dokumente anderer zu begutachten: Angucken kost‘ (immer noch) nix. Man sucht nicht mehr nach einer unbeschriebenen Floppy oder einem CD-Brenner, um eine Datei weiterzugeben – man kopiert die Datei in einen Ordner auf einem Server und schickt den Dropbox-Link. ↩Im Gegenteil, damit verleugnete man ja die besondere Fähigkeit des Menschen, die ihn zum unangefochtenen Herrscher über diesen Planeten gemacht hat: seine Anpassungsfähigkeit. ↩Glauben Sie mir, ich weiß, was ich sage… ↩Benutzer von Mobilgeräten mit einem Windows-System dürften zu Visio greifen, Android-User dürfen sich gerne in den Kommentaren eintragen, wenn sie eine Entsprechung für Google-Systeme kennen. ↩Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … appseits tools iPadOmnigraffleTablet
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