Radreise am Yellowstone Nationalpark 1999: Gelbe Steine 30.10.199919.02.2022 Dieses Jahr sei ein gutes Jahr für weite Reisen. Nicht, weil das Horoskop das behauptet, sondern meine Frau. Das Ziel stand schon lange ganz oben auf der Wunschliste. Seit wir das letzte Mal in den USA gewesen waren und erfahren hatten, welche Dimensionen selbst die einfachsten Strecken annehmen können, wenn man sie mit dem Fahrrad angeht, konnte uns auch die Vorstellung nicht erschüttern, von Salt Lake City in den Yellowstone Nationalpark zu radeln. Und zurück natürlich auch… Salt Lake City, Verwaltungszentrum am südöstlichen Ende des großen Salzsees ist eine Großstadt und ein erstaunliches Menetekel menschlicher Anpassungsfähigkeit. Als die ersten Siedler 1847 dort ankamen, bestand das Land nur aus Steppe und Bergen. Man hatte den Mormonen einen unwirtlichen Flecken der Vereinigten Staaten zugewiesen wohl auch in der Hoffnung, dass sie dort von ganz alleine dezimiert werden. Unvorstellbar, dass Brigham Young lapidar feststellte „This is the place“; Seine Mitreisenden waren nach dem strapaziösen Trek wohl so erschöpft, dass sie auch Steine gekocht hätten. Mittlerweile aber brauchen sie das nicht mehr, denn das Wasser, das aus den nahegelegenen Bergen kommt, wird zur Bewässerung ausgedehnter Obstfarmen verwendet und bildet die Grundlage für einen der fortschrittlichsten Industriestandorte in den USA. Man lebt dort recht gut von der Computer- und Rüstungstechnologie… Die Stadt liegt am Ende einer nordsüdlich verlaufenden Ansammlung mittlerer und größerer Städte, die das gesamte Ostufer des Sees säumen. Wir mussten sie durchqueren, denn der Yellowstone liegt etwa 500 km nördlich. Es war heiß. Sehr heiß sogar. Und trocken. Immerhin war es Ende Juli. Für die Fahrt nach Norden allerdings bedeutete dies eine qualvolle Schinderei durch baumloses Weideland, endlose gerade Straßen und staubtrockene Halbsteppe über Idaho nach Wyoming. Aber allmählich hebt sich das Land. Waren wir noch auf 1300m Höhe gestartet, querten wir in Idaho den Targhee Pass auf 7072 Fuß (2263m) und kamen nach Montana. Der Targhee ist die Wasserscheide; alle Flüsse nordöstlich davon fließen in den mittleren Westen, in den Missouri ab. Hinter dem Targhee liegt in einem malerisch bewaldeten Tal der westliche Eingang des Yellowstone. Hier ist auch das Klima anders. Da hinter Ashton/Idaho die landwirtschaftliche Nutzung endet, stehen in einem riesigen Areal rund um den Nationalpark in den „National Forests“ die Bäume wieder an ihrem angestammten Platz: hier gibt es Bären und Wölfe. Hier herrscht Natur. Und entsprechend wird auch überall zur Vorsicht geraten. Ein Nationalpark ist kein Streichelzoo. Die Übernachtungsmöglichkeiten sind spartanisch. Obwohl die US-Amerikaner ein äußerst mobiles Völkchen sind, das ungern auf Komfort verzichtet, hat man im Yellowstone bereits vor 20 Jahren damit begonnen, systematisch alle Annehmlichkeiten moderner Camping- und Reisekultur zurückzubauen. Standen früher beispielsweise neben den heißen Quellen Bäder und Planschbecken oder dienten die heißen Dämpfe gar zum Kochen, so führen jetzt Stege über die „Geysir Basins“. Abweichen vom tugendhaften Pfad wird streng geahndet. Nur die Tiere halten sich nicht unbedingt an die Vorgaben, denn das Wasser, das aus der Tiefe strömt, wärmt ihnen im Winter die Sohlen. Müßiggang ist aller Laster Anfang. Nachdem wir im Park am ersten Tag keinen Campingplatz bekommen hatten, verbrachten wir die erste Nacht am Westeingang. Dafür belegten wir in den darauffolgenden Tagen einen kleinen Zeltplatz an der Madison Junction, von wo aus sich die eigentlichen Attraktionen des Yellowstone, die Geysire und heißen Quellen, die Schlammlöcher und Schwefelhöhlen hervorragend ansteuern lassen. Dieser Teil des Parks ist daher auch der überlaufendste. Hier liegt „Old Faithful“, der seit über hundert Jahren (soweit reicht die Erinnerung des „weißen Mannes“ zurück) regelmäßig alle 90 Minuten seine Wasserfontäne in den Himmel bläst. Mammoth Hot Springs war der nördlichste Punkt unserer Reise, denn von dort ging es den Yellowstone River flussaufwärts, über den Dunraven Pass (2700m), zum Yellowstone Lake hinunter. Die erste warme Dusche seit Tagen zu einem Wucherpreis von $5 pro Nase. Damit versucht man, der Abwasserflut durch den Tourismus Herr zu werden. Für Wohnmobilisten unvorstellbar, war eine warme Dusche nach Tagen im Zelt und auf dem Fahrradsattel ein Kulturgut. Nach einer Woche im Park verließen wir das Hochplateau mit einer langen Abfahrt nach Süden. Angrenzend an den Yellowstone liegt der Teton National Park, über ein Stiftungsgelände, den „John D. Rockefeller Memorial Parkway“ mit diesem verbunden. Kennzeichen des Teton National Park ist die Teton Range, eine Gebirgskette in nordsüdlicher Richtung, deren schneebedeckte Viertausender aus der Ferne wie ein Sägeblatt wirken. Für die französischen Trapper, die dieses Gegend als erste erkundeten, symbolisierten sie jedoch signifikante Körperstellen des weiblichen Physiognomie: „Les Trois Tetons“, die drei Brüste, wurden unübersetzt ins Englische übernommen… Wir fuhren östlich der Gebirgskette Richtung Jackson. In Jackson Hole, dem Tal hinter der Teton Range, hatten sich Wolken zu einem Rendezvous versammelt. Uns kam das nicht unrecht, denn nach der sengenden Hitze und stechenden Sonne empfanden wir die Kühle recht angenehm. Als es aber dann auch anfing zu regnen, war die Stimmung schnell dahin. Aber dort sahen wir auch unsere Bären: ein Junges, das recht unmotiviert an den Beeren zupfte, war uns zuerst aufgefallen. Das bedeutete nichts Gutes, denn wenn ein Junges scheinbar alleine durchs Unterholz läuft, ist die Mutter nicht weit. Und sie ist bekanntlich auf Fremde, die zwischen ihr und dem Nachwuchs stehen könnten, nicht gut zu sprechen. Glücklicherweise folgte sie dem kleinen nach wenigen Sekunden und nahm auch von den neugierigen Zweibeinern keine Notiz, als sie sich über das Totholz hermachte, um an die Termiten zu gelangen. Der Winter in den Bergen war nicht mehr allzu fern, sie musste noch einiges an Speck zulegen, um den langen Winterschlaf zu überleben; eine Besucherjagd würde nur unnötig an den Kräften. Hinter Jackson Hole jedoch endet abrupt die zivilisierte Welt. Da wir bis zum Rückflug noch über eine Woche Zeit hatten, beschlossen wir in einem Anflug von Masochismus, einen Abstecher durch die Badlands zu machen: über Pinedale nach Farson, wo wir den berühmt-berüchtigten „Oregon Trail“ kreuzen würden, den Weg, den Ende des 19. Jahrhunderts täglich bis zu 300 Planwagen benutzten auf ihrem Weg ins gelobte Land, den Westen. Der Trail begann in Santa Fe und führte über Gebirgspässe und trockenes Ödland über hunderte Meilen in verschiedenen Varianten nach Oregon, an den Pazifik, wo sich Abenteurer und Goldsucher, Farmer und Arbeitslose, Mormonen und Entwurzelte das Glück versprachen. Die unsäglichen Strapazen, denen diese Menschen auf ihrem Weg der Hoffnung ausgesetzt waren, konnten wir selbst auf dem Fahrrad kaum nachempfinden. Das einzig Senkrechte in solchen Lagen waren Eisberge – nein, es schneite nicht -, die es in jedem Dorf und an jeder Kreuzung gab. Nach Stunden unter sengender Sonne kamen die gelegentlichen Stopps an den Junctions recht gelegen, noch dazu, wenn dort aus großen Eimern pfundweise Eiskrem auf kleine Hörnchen gepfropft wurde. Aber auch damit war westlich des Green River Schluss. Nicht mal ein winziges CafÈ, kein Roadhouse, nichts außer Straße bis Kemmerer auf dem Weg zum Bärensee. Danach stieg das Land wieder an, wir hatten die weite Prärie hinter uns gelassen. Durch enge Schluchten neben donnernden Trucks stürzten wir uns in das Becken des Bärensees, der ein Ausflugsgebiet für alle Städter aus Salt Lake ist. Und das war er schon, als er noch als Treffpunkt für Trapper diente, die dort ihre Felle gegen Messer, Waffen, Kochgeschirr und allerlei Utensilein tauschten, die man zum Überleben in der Wildnis brauchte. Ihre Motivation waren die reichen Gründe für Biberpelze im Nordwesten der USA. Sie waren seit Jahrhunderten einer der Hauptgründe für die Expansion der europäischen Siedlungen an der Ostküste des Kontinents, denn sie waren bares Geld wert: kein europäischer Herr ging ohne Hut, und Hüte waren aus Biberpelz. Es ist vielleicht eine Ironie der Geschichte, dass ganze Kulturen und Völker eines Kontinents zerstört wurden – um einer Mode willen. Die Rückfahrt führte uns dann direkt nach Salt Lake City zurück, wo wir den letzten Tag damit verbrachten, Fahrradkartons für die Rückfahrt zu organisieren, den Temple, das geistige Zentrum der Mormonen, anzuschauen und uns von einer missionarisch hochmotivierten Dame beinahe bekehren zu lassen. Nix besonderes also. Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … Radreise unterwegs RadreiseUSA
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