Schule und Internet: Nur eine Ruine 17.06.201703.01.2021 „Schulen ans Netz“ war vor Jahren eine Initiative der Kultusministerien, die die Schulen dazu aufforderte, die modernen Kommunikationstechnologien zu nutzen, indem man ihnen kostenlos einen Internetzugang ermöglichte. Zu diesen modernen Technologien zählt neben der Hardware auch die Nutzung des Internets, dessen Funktion auch 21 Jahre (!) nach Beginn der Initiative in den Ministerien kaum jemand zu verstehen scheint oder verstehen möchte1. Die Initiative ist allerdings 2012 beendet worden, nachdem man die selbstgesteckten Ziele, den Schulen einen Internetzugang zu ermöglichen, erreicht zu haben glaubte. Wie man allerdings schon um die Jahrtausendwende unschwer erkennen konnte, ist es in der Kommunikationstechnologie nicht damit getan, eine Hardware bereitzustellen – sie muss auch gepflegt werden. Viele Schulen besitzen daher auch heute noch Maschinen aus der Gründerzeit mit Windows 95 (!) und eine Netzanbindung, deren Geschwindigkeit mit einem alten „Turnschuhmodem“ vergleichbar ist. Kurz: Die Hardware und auch die Netztechnologie ist meist auf einem vollkommen veralteten Stand, sofern sie nicht durch Eigeninitiative des Lehrkörpers, der Elternschaft oder der Schüler auf einen neueren Stand gebracht wurde. Das ist jedoch nur der erste Teil der Geschichte. Die Initiative hatte jedoch den Erfolg, dass sich manche Lehrer und Schulen trauten, die Homepage der eigenen Schule nicht mehr nur halb verschämt dem Direktorat vorzustellen oder gar glaubten, sich dafür entschuldigen zu müssen, sondern sie sogar offensiv beantragten und Arbeitsgruppen einrichteten, in denen die Schüler selbst Beiträge lieferten. Selbst Eltern verlangten danach – Eltern, sonst gerne ihre eigenen Nachkommen vor den Gefahren des Internets bis ins Erwachsenenalter glaubten beschützen zu müssen. Mit anderen Worten: die zur Verfügung gestellte Hardware löste den Wunsch aus, sie zu nutzen und auch zumindest rudimentär einzusetzen. An dieser Stelle allerdings greifen Schulen bis heute ins Leere, denn es fehlt dem Lehrkörper eine Anleitung, wie man denn die ominöse Technologie überhaupt nutzbringend einsetzt.2 Daraus ergibt sich die merkwürdige Konstellation, dass der Staat und die Kommunen als Träger der Schulen diese Entwicklung des Internets an ihren eigenen Schulen zunächst eher ignorierten und dann – statt zu koordinieren – die Lehrer, Eltern und Schüler damit alleine ließen. Man verschlief die Gestaltungsmöglichkeiten der Internet-Services (Stundenpläne, Stundenausfälle, soziale Veranstaltungen, Mitteilungs- und Diskussionsplattform, etc) regelrecht. Das ist schon armselig genug. Gleichzeitig wird es auch dem Lehrkörper nicht einfacher gemacht, sich mit dem Thema und seinen Auswirkungen auch auf die alltägliche Unterrichtsgestaltung auseinanderzusetzen. Die meisten Lehrer und auch Eltern glauben nämlich tatsächlich immer noch, dass Schüler ihre Hausaufgaben selbst machen, während sich in den Chatrooms von WhatsApp und Konsorten bereits rege klasseninterne Tauschbörsen zum Wissensstoff ab der fünften Klasse entwickelt haben: „Ich schicke Dir die Mathelösungen, du kontrollierst meine Englischaufgaben…“ – Wer kein Smartphone hat, ist nicht nur sozial, sondern auch informationstechnisch ausgegrenzt. Stattdessen verlangen und produzieren die Lehrkräfte immer mehr Bücher und Papier und die Schüler stopfen sich kiloweise Hefte, Mappen und Bücher in ihre Taschen – und brauchen davon meist nicht ein Zehntel.3 Das Seltsame ist ja, dass die Schüler überhaupt keine Schwierigkeiten damit haben, ihre Hausaufgaben und Referate auf dem Gerät (Computer oder Tablet) zu Hause zu erstellen. Sie stellen ihre Arbeiten in die Cloud, bearbeiten Projekte, schneiden gemeinsam Filme und bearbeiten Fotos – aber für die Schule wird es dann auf Folie gedruckt und mit einem Overhead-Projektor vorgestellt. Es wird in der Schülerschaft munter per „Cloud-Collaboration“ in der Gruppe gearbeitet, aber mit dem Betreten des Schulgeländes lässt man 20 Jahre technologische Entwicklung am Schultor liegen. Warum? Am Geld kann es nicht liegen, denn die meisten Schüler haben Zugriff auf einen aktuellen Computer oder sogar ein Tablet. An den Schülern liegt es auch nicht, denn die verstehen sich auf ihre Geräte meist recht gut, auch wenn es ihnen oft an Anleitung fehlt, damit etwas Nützliches anzustellen. Vermutlich liegt es an den Schulen und dem Schulapparat: Es gibt für das pädagogische Personal keinerlei Veranlassung, sich mit dem Thema zu beschäftigen und die Schüler zielorientiert anzuleiten.4 Es ist nämlich nicht nur so, dass unsere zukünftigen Erwachsenen den strukturierten Umgang mit der Informationstechnologie für ihr weiteres Leben in Beruf und Gesellschaft benötigen, er schult auch das logische Denken und in der Gruppenarbeit die strukturierte Vorgehensweise und Aufgabenverteilung. Es geht hier nicht ums Programmieren, es geht schlicht um die Bewältigung des zukünftigen Alltags. Wir müssen ja an unseren Schulen nicht schon wieder alles verschlafen. Außer man zählt die zahllosen Warnungen der Schulvertreter dazu, die die Kinder vor der Nutzung der Handys und des Internets warnen – ohne zu bemerken, dass ebenjene Kinder bereits soziale Aktionen im Klassenverband mit ihren Smartphones durchführen. ↩Nutzbringend in dem Sinne, wie man außer ein paar Seiten HTML aus einem Office-Programm zu exportieren auch aktuelle Internet-Dienstleistungen wie Chatrooms, Datenaustausch, Hausaufgaben- und Lernhilfe als pädagogische Hilfsmittel einsetzt. ↩Wiegen Sie mal die Schultasche eines Sechstklässlers: 7 Kilogramm sind völlig normal für fünf Schulfächer. Gebraucht werden an einem Tag zwei Seiten pro Fach und drei Seiten Notizen … ↩Das Schulfach „Informatik“ ist in diesem Zusammenhang ein Witz: Da dürfen Gymnasiasten bunte Bilder in Powerpoint-Folien hineinkopieren. ↩Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … thinkware BildungspolitikInternetKommunikationstechnologieSchule
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