Social Media: Turn up the volume! 19.11.201813.10.2023 Der Geräuschpegel in den sozialen Medien ist enorm, vor allem für die ältere Generation, die damit nicht groß geworden ist. Man kann aber lernen, damit umzugehen – die Kids müssen es ja auch. Social Media sind – so gerne es in etablierten Gesellschaftsschichten auch gesehen wird – kein „Hype“ oder „Craze“ oder „Trend“ oder eine „Modeerscheinung“ unterbeschäftigter Youngster, die das wirkliche Leben noch nicht kennen und erst mal was Ordentliches arbeiten sollen – die Gegenwart und Social Media sind Alltag. Sie sind ein Teil der sozialen Wirklichkeit. Und sie verschwinden nicht einfach dadurch, dass man sie ignoriert oder verbietet. Die Entwicklung der gesellschaftlichen Kommunikation verläuft mittlerweile ganz anders als noch vor zehn Jahren: Der zunehmende Ich-Bezug („Wie geht es mir? Wie fühle ich mich?“) und eine starke Kommerzialisierung des Individuums führen dazu, dass fast jeder Heranwachsende und auch fast jedes Mitglied der Gesellschaft in den industrialisierten Ländern von der Kommunikation abhängt, die über die sozialen Medien verläuft. Ob man selbst einen oder mehrere Accounts besitzt oder nur indirekt von der Kommunikation im Bekanntenkreis oder in öffentlichen Medienkanälen betroffen ist: es gibt keine „Social-Media-freie“ Zone mehr: Mit den Smartphones hat sich nicht nur die Anzahl der passiven Kommunikationsteilnehmer vervielfacht, sondern auch die Anzahl der Nutzer, die Inhalte produzieren – und seien es nur 280 Zeichen Hass und Gülle.1 So wie früher sich die „Halbstarken“ trafen, um über ihre aufgemotzten Mofas zu prahlen oder wieviel Bier sie an einem Abend wegpacken können und es trotzdem noch nach Hause schaffen, ohne von der Polizei oder den Eltern erwischt zu werden, so wie es regelmäßig zu Familienstreit kam, weil die Kinder ständig die Telefonleitung blockierten, um über Nichtigkeiten mit dem Freundeskreis zu quatschen, so wenig sind soziale Medien und die Interaktion darüber mit der Welt aus dem Alltag der jüngeren Generation fortzudenken. Und sie gehen auch nicht weg, indem man den Kids die Smartphones wegnimmt oder den Account blockiert. Im Gegenteil: so wie man sich früher dann eben die Sendung oder das Splattermovie beim Freund reingezogen hat, so finden unsere Kids genügend Möglichkeiten, an der eingeschränkten Weltsicht der Eltern vorbei ihre eigenen Erfahrungen mit der realen und der virtuellen Welt zu sammeln. Im Gegensatz zum eher spielerischen und explorativen Umgang der Jüngeren sehen etablierte ältere Semester allerdings die anderen Seiten (und Gefahren), die ein sorgloser Umgang mit sich bringt. Das ist auch gut so. Nun ist das Bedenkentragen ein Vorrecht der Älteren, die damit mitunter das Kind mit dem Bad ausschütten, weil sie die Spielregeln nicht überschauen, die die sozialen Medien mit sich bringen.2 Da werden Suchmaschinen wie Google verwendet – nur um sich dann zu wundern, welche Profile deren Algorithmen daraus erstellen und an zahlungskräftige Unternehmen verkaufen. Jeder Aufruf einer Seite im Internet, jeder Klick auf einen Link, jede Chatnachricht und jedes Posting auf facebook, Twitter, Instagram und Co. wird festgehalten und bildet ein winziges Puzzlestück in einem Informationsbild, das mehr über uns verraten kann, als wir uns selbst eingestehen wollen. Das emotionale Selbstbild und das digitale Fremdbild können dabei weit auseinander klaffen. Sehr weit. Schon für Erwachsene… Was aber geschieht dabei mit unseren Kindern? Mit Heranwachsenden, die ein Selbstbild erst entwickeln müssen und dafür die permantente Kommunikation mit der Umwelt benötigen – die ja hauptsächlich über Social Media verläuft? In this, humans are similar to other domesticated animals. We have bred docile cows that produce enormous amounts of milk, but are otherwise far inferior to their wild ancestors. […] We are now creating tame humans that produce enormous amounts of data and function as very efficient chips in a huge data-processing mechanism, but these data-cows hardly maximise the human potential. (Yuval Harari, 21 Lessons for the 21st Century) Und hier klafft eine große Lücke: Statt den Kids zu helfen, sich in der Welt der sozialen Medien zurecht zu finden, wollen wir Eltern sie davor bewahren: Schulen, Eltern und Lehrer sträuben sich mit Händen und Füßen dagegen, die Vermittlung von Grundkenntnissen im Umgang mit Computern, Netzwerken und digitaler Kommunikation zu übernehmen, zu erklären, dass das virtuelle Fremdbild das Resultat ausgefeilter Algorithmen ist, getrieben von kommerziellen oder gesellschaftspolitischen Interessen – und nur wenig mit dem Fremdbild zu tun hat, dass durch die persönliche Interaktion in der analogen Welt entsteht. Wenn in sozialen Medien Echokammern entstehen und sich halten können, dann ist das nicht die Schuld der sozialen Medien, sondern das Resultat einer gesellschaftlichen Verkümmerung. Wir Eltern überlassen einzelnen Gruppen in der Gesellschaft die „Lufthoheit über den virtuellen Stammtischen“. Wir überlassen Parteien und Unternehmen das Megafon der sozialen Medien, mit dem sie uns täglich die Netzhaut zudröhnen, um ihre Anliegen zu verkünden. Aber wir können lernen, damit umzugehen, den Geräuschpegel einzuschätzen und einzuordnen. Wir können uns nicht wehren gegen die Flut virtueller Rollenmodelle und synthetischer Vorbilder – aber wir können unseren Kindern helfen, ein Selbstbild zu entwickeln, dass nicht abhängig von „Influencern“ und CGI-gepimpten Helden ist. Nur mit dem Verleugnen wird uns das nicht gelingen. So wie unsere Urahnen in der afrikanischen Savanne ihrem Nachwuchs zeigten, wo die Löwen lauern und die Wasserquellen liegen, welche Windrichtung Regen bringt und wie man in der Gruppe erfolgreich jagt, so müssen wir Eltern uns erst mit Social Media auseinandersetzen, um ihren Nutzen und ihre Gefahren zu vermitteln. What’s lacking these days, then, may not be attention so much as moderation in the face of countless stimuli that are simultaneously diverting and engrossing. (Ben Healy, The Atlantic 2018) Statt gegen Windmühlen zu kämpfen, müssen wir Müller werden. Turn Up the Volume! Fernsehen und Radio sind solche eindimensionalen Kanäle, siehe auch Internetnutzung: Wir glotzen auf Waschmaschinen. ↩Bezeichnenderweise regen sich viele Eltern über die Zeit auf, die die Kids vor dem Bildschirm verbringen, sind selbst aber nicht in der Lage, elementare Sicherheitsvorkehrungen wie 2FA („Two Factor Authentication“) zu vermitteln oder zu verwenden. ↩Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … thinkware GesellschaftInternetSocial Media
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