OmniOutliner 4: Wie sonst wenn nicht mit Gerüst? 30.01.201405.05.2019 Vor vielen Jahren schon einmal habe ich mich an dieser Stelle mit dem Problem beschäftigt, wie man als Normalsterblicher seine Gedanken strukturieren kann, um sie auch produktiv einsetzen zu können. Es ist kein Geheimnis, dass eine effektive Selbstorganisation die Lebensqualität erheblich verbessert: nicht im Sinne des konsequenten „Durchplanens“ des Alltags, sondern im Setzen von Prioritäten und der sinnvollen Strukturierung der Tätigkeiten. Es geht halt nicht alles gleichzeitig. Und manches geht nie. Da kein vernünftiger Mensch seinem Gehirn das Denken verbieten kann und sollte, empfiehlt sich besonders im Beruf der Einsatz eines „Outliners“. Damit bekommt man nämlich Ordnung in die ungeordneten Gedanken. „Outlining“ und „Umreißen“ Es ist bedauerlich und vielleicht auch symptomatisch, dass es in der deutschen Sprache kein adäquates Wort für den Begriff des „Outlining“ gibt. „Outlining“ wäre direkt mit „Umreißen“ zu übersetzen. Der deutsche Begriff aber verweist auf etwas Ungefähres, etwas Nebulöses, dessen Umrisse gerade noch erkennbar sind. Eine stark vereinfachte Beschreibung. „Outlining“ im Englischen kommt dem deutschen „Gliedern“ eigentlich viel näher, wobei „Gliedern“ oft unangenehme Erinnerung an quälende Schulaufgaben im Fach Deutsch weckt („Gliedern Sie den folgenden Brief von Thomas Bernhard …“), bei denen man als geplagter Schüler in der Mittelstufe nie verstanden hat, was denn der Wert dieser Übung sein sollte. Wir Deutschen tun uns schwer mit dem Outlining, obwohl es mitnichten eine sinnfreie Übung ist. Und daher verwenden wir auch später im Beruf sehr wenig Zeit darauf, unsere Tätigkeit zu strukturieren und zu gliedern. Das rächt sich, denn erfahrungsgemäß führt eine solche Herangehensweise später zu mehr Stress und Arbeit. Wo ist das Problem? Es geht beim Outlining darum, zwischen den Gedanken und ihre Umsetzung eine Art Filter zu schieben. Dieser Filter hilft dabei, die Gedanken in eine möglichst effektiv umsetzbare Reihenfolge zu bringen – oder ganz fallen zu lassen. Damit erlauben wir unseren Gedanken freien Auslauf („Brainstorming“ – wieder so ein Wort ohne adäquate deutsche Übersetzung) ohne sie gleich einzufangen noch bevor wir sie überhaupt berücksichtigt haben. Um das Problem einzugrenzen, folgen jetzt beispielhaft zwei Szenarien, die das Outlining eigentlich zwingend erforderlich machen: Szenario 1: Es ist eine leidvolle Erfahrung vieler Besprechungen, dass man danach das Gefühl hat, zwar über alles geredet zu haben, aber am Ende irgendwie nichts dabei herauskommt, weil sich alle Beteiligten zwar „eingebracht“ haben, diese geballte Gedankenleistung aber nur in den bruchstückhaften Notizen Einzelner ein paar Stunden weiterlebt. Schade um die Zeit. Hier wäre ein Outliner zur Ordnung der Gedanken hilfreich. Dass daraus dann ein Protokoll gemacht werden muss, versteht sich eigentlich von selbst. Szenario 2: Der Technische Redakteur wird am Telefon über einen neues Projekt „gebrieft“ (ich weiß, was Sie jetzt denken: Anglizismus!) und soll am Ende nicht nur eine Aufwandsabschätzung abgeben, sondern auch gleich seine Kapazitätsplanung anpassen. Der arme Redakteur kennt das Produkt nicht, weil es entweder schon ausgeliefert wurde oder noch gar nicht existiert und der Projektleiter eigentlich nur wissen will, wie teuer ihn die Dokumentation kommen würde. Da die meisten Redakteure kein Headset haben, schreiben sie während des Briefings alles auf Papier mit und kritzeln so die Aussagen und eigene Fragen und Gedanken kreuz und quer über die Seiten, malen noch ein paar Verbindungslinien hinein und sind etwa zehn Minuten nach Ende des Gesprächs so schlau wie vorher. Als freiberuflicher Redakteur geht es aber hier nicht um einen Zeitvertreib, sondern um Geld: soll, kann und will ich annehmen? Hier wäre ein Outliner zur Ordnung der Gedanken hilfreich. Denn aus dem Mitgeschriebenen muss ein Angebot und vor allem eine eigene Planungsgrundlage für ein mögliches Projekt werden. (Wie man solche Projekte aufsetzen kann, ist ein anderes Thema, auf das ich hier nicht eingehe.) Standard-Template, erweitert um eine Spalte Outlining als Werkzeug Nähern wir uns dem Thema von einer anderen Seite: Haben Sie schon einmal gesehen, wie ein höheres Gebäude gebaut wird? Spätestens bei einer Höhe von mehr als zwei Meter arbeiten alle Handwerker mit einem Gerüst, denn es kann sich ja keiner auf eine gerade frisch hochgezogene Wand stellen. Es wird also außen (und manchmal auch innen) eine Hilfskonstruktion hochgezogen, die das Gebäude einhüllt bis es fertig gestellt ist. Danach wird es nicht benötigt und abgebrochen – um in Teilen an die nächste Baustelle verfrachtet zu werden. So funktioniert auch ein Outliner. Und es eignet sich dazu fast nichts besser als ein computerbasiertes Werkzeug, eine Software, die sich nicht nur in das Betriebssystem integriert, also vom Benutzer keinen hohen Aufwand beim Erlernen erfordert, sondern auch seinen Gedanken nicht im Weg steht. Es gibt zahlreiche Einsatzmöglichkeiten und ‑szenarien, bei denen ein Outliner Sinn macht. Er ersetzt nicht das freie Assoziieren der Gedanken, das Mitschreiben und Zeichnen während einer Besprechung oder eines Gesprächs, sondern er bringt sie in Form – so wie ein Gerüst nicht den Bauplan ersetzt, sondern bei dessen Umsetzung hilft. OmniOutliner und die Cloud Vor ein paar Wochen hat die Omnigroup eine neue Version ihrer Mac-Applikation vorgelegt, um mit den Entwicklungen des Betriebssystems Schritt zu halten und den veränderten Nutzergewohnheiten entgegen zu kommen. Es gibt nämlich seit dem letzten großen Versionssprung auf die Version 3 vor immerhin 9 Jahren auch eine iPad-Version der App. Diese wurde komplett neu entwickelt und hat auch dazu beigetragen, iPads als unentbehrliche Werkzeuge im Beruf zu etablieren. Der iOS-App (und auch den übrigen Apps aus dem gleichen Hause) ist das „Cloud-Computing“ in die Wiege gelegt: sie synchronisieren über einen beliebig einzurichtenden Server, über die iCloud oder über den OmniSyncServer (OSS), den Datenspeicher der Omnigroup. Während ein eigener Server jedoch Kenntnisse in der Servertechnologie voraussetzt, benötigen Letztere entweder einen kostenlosen iCloud-Account (der beim Kauf eines iPads sowieso notwendig ist) oder den kostenlosen OSS-Account, beide ohne Kenntnisse bedienbar („zero config“). Letzterer funktioniert hervorragend und extrem schnell. Wer mehrere Apps aus gleichem Hause nutzt, profitiert besonders, denn der Zugang muss nur einmal eingerichtet werden. Auf diese Cloud greifen dann die iOS-App und das mac-Programm zu. So wird sichergestellt, dass alle Änderungen auf allen Geräten synchron gehalten werden. Funktionen: Dateien hinzufügen Hat man sich dazu entschlossen, Notizen und Informationen im Allgemeinen mit OmniOutliner aufzunehmen, ist das Schwierigste schon geschafft, denn die Bedienung ist denkbar einfach. OmniOutliner verträgt eine Vielzahl unterschiedlicher Medienformate, die gegliedert, umsortiert oder einfach nur in eine Reihe gebracht werden sollen. Zwar lassen sich damit auch Bilder, Filme oder Tonaufnahmen (z.B. Gesprächsmitschnitte) sortieren, aber statt sie in einer OmniOutliner-Datei zu verwalten, genügt es meist, sie als Link anzulegen und die Daten an ihrem Ursprungsort zu belassen. Dazu legt man einfach eine neue Zeile an und zieht die Datei mit gedrückter [CTRL]-Taste in das Feld. Nun kann sie angezeigt oder mit dem zugeordneten Programm abgespielt oder geöffnet werden. Gerade bei Notizen zu Besprechungen ist es von Vorteil, wenn der Outliner auch als Container für andere Medien dienen kann, die den entsprechenden Themen zugeordnet werden können. Funktionen: Informationen verarbeiten Wie aber kommt nun Ordnung hinein? Im Folgenden spiele ich einen Anwendungsfall durch, der einen Einblick in die Vielzahl der Einsatzbereiche und Schnittstellen des Programms geben soll. Mal angenommen, Sie hätten eines der Templates geöffnet, die mit dem Programm geliefert werden und alle Notizen des Gesprächs von Ihrem Zettel abgeschrieben, eventuell vorhandene Bilder und Grafiken aufgenommen (oder verlinkt, was sicher besser ist) und machen sich nun Gedanken darüber, wie Sie aus diesen Informationen in einer Datei zu mehreren Resultaten kommen können: Sie möchten das Gesprächsprotokoll an alle Teilnehmer verschicken und sie um Zustimmung bitten. Sie brauchen also ein PDF-Dokument, das der Empfänger ablagen und drucken kann. Sie möchten aus diesen Notizen eine Aufwandsabschätzung erstellen, mit der Sie ein Angebot abgeben können (als Selbstständiger eine Notwendigkeit). Sie brauchen also eine Liste oder eine Art Mini-Tabellenkalkulation, um sich über die erforderlichen Tätigkeiten und ihren jeweiligen Aufwand ein Bild machen zu können. Sie möchten eine Grundstruktur eines Dokuments (z.B. einer Anleitung) erstellen und die Notizen daran ausrichten, damit Sie abschätzen können, wo noch Informationsbedarf besteht und was als Nächstes zu tun ist. Falls Sie OmniFocus als Taskmanager benutzen, möchten Sie diese Schritte mit Terminen versehen, damit Sie rechtzeitig fertig werden. (Zu OmniFocus finden Sie hier mehr.) Fangen wir an. TOP 1: Gesprächsprotokoll Das ist die leichteste Übung. Schreiben Sie ihre Notizen verständlich. das hilft auch Ihnen später beim Lesen. Anmerkungen werden einfach eingerückt oder in das Notizfeld unterhalb der Zeile geschrieben. Dann fügen Sie die thematischen Überschriften ein (beispielsweise „Recherche“, „Erfassung“, Review“, „Übersetzung“) und ziehen die Notizen einzeln oder en bloc (mehrere Notizen per [cmd] oder Hochstelltaste auswählen) unter die passende Überschrift. Sie können dabei so tief verschachteln, wie es Ihnen sinnvoll erscheint. Sollten Sie mit dem Aussehen nicht zufrieden sein, wählen Sie ein anderes Template aus (oder laden eines aus dem Internet). Das Template können Sie selbstverständlich auch nachträglich mit dem Stileditor unten links anpassen, indem Sie erst alle Einträge einer Hierarchiebene auswählen und dann im Inspektor die Eigenschaften ändern. Oder Sie ändern jeden Eintrag einzeln. Legen Sie eine neue Überschrift „Protokoll“ an und ziehen Sie die Notizen darunter, die Sie für das Protokoll benötigen. Wenn Se jetzt in der linken Seitenleiste nur diese Überschrift auswählen, wird auch nur deren Inhalt im Hauptfenster angezeigt. Wählen Sie „Drucken“ und stellen Sie gegebenenfalls im Druckmenü die Optionen für die Kopf- und Fußzeile des Dokuments ein. Wählen Sie „Drucken als PDF“. Und das war’s dann schon. Nur noch ablegen und per E‑Mail verschicken. (Fortschrittlicher ist natürlich die Bereitstellung der PDF auf einem Onlineserver wie iCloud oder der Dropbox, aber das führt hier zu weit…) Seitenleiste links und der Inspektor in OmniOutliner 4 TOP 2: Aufwandsabschätzung Erstellen Sie eine neue Hauptüberschrift „Aufwandsabschätzung“ und verschieben Sie die Notizen (Sie können sie auch kopieren), sofern denn erforderlich, unter die neue Überschrift. Wählen Sie nur diese Überschrift in der Seitenleiste. Jetzt werden nur die Punkte im Hauptfenster angezeigt, die in die Abschätzung einfließen. Fügen Sie neue verrechenbare Tätigkeiten hinzu (beispielsweise „Datenmigration“ oder „Nachbearbeitung“). Fügen Sie eine neue Spalte hinzu, geben Sie ihr einen Namen und setzen Sie deren Format im Inspektor auf Typ „Number“ (ich verwende die englische Oberfläche des Betriebssystems, die deutsche Version dürfte hier „Zahl“ oder „Nummer“ anzeigen). Dann stellen Sie die Zusammenfassung auf „Summary“ und wählen Sie ein Zahlenformat. Jetzt müssen Sie nur noch den einzelnen Tätigkeiten den entsprechenden Aufwand verpassen und OmniOutliner rechnet automatisch zusammen. Blenden Sie die nicht benötigten Spalten und die Kästchen oder Gliederungspunkte aus. Kopieren Sie den Inhalt und fügen Sie ihn in das Dokument ein, in dem Sie Ihr Angebot erstellen. Das war Numero Zwo. TOP 3: Grundstruktur Erstellen Sie wieder eine neue Überschrift und verschieben oder kopieren Sie die benötigten Notizen. Wählen Sie wieder nur diese Überschrift in der Seitenleiste, um die übrigen Themen auszublenden. Jetzt bauen Sie ein Inhaltsverzeichnis der Dokumentation auf („Transport“, „Montage“, „Inbetriebnahme“ usw.) und ergänzen die dazu gehörenden Abschnitte. Falls Sie eine Nummerierung benötigen, markieren Sie die Überschriften im Hauptfenster und wählen Sie den gewünschten Nummerierungsstil (z.B. „1.1, 1.1.1“) im Inspektor. Das war die Drei. Es folgt die Kür mit Nummer vier. TOP 4: Taskmanager Zunächst einmal legen Sie die erforderlichen Schritte in einem eigenen Bereich an (Sie wissen schon: Überschrift erstellen, markieren in der Seitenleiste). Dann fügen Sie eine zusätzliche Spalte hinzu, in die Sie die Termine (Korrektur, Lieferung etc.) eintragen und geben der Spalte einen Namen (zum Beispiel „Termine“). Das Folgende geht allerdings nur, wenn Sie gleichzeitig auch OmniFocus besitzen. Starten Sie OmniFocus und öffnen Sie die Planungsansicht. Markieren Sie die Einträge in OmniOutliner, die in der Aufgabenverwaltung mit einem Termin versehen werden sollen oder notwendig für die Durchführung sind („Angebot schreiben“, „Korrekturfassung schicken an ABC“) und ziehen Sie die Einträge auf das geöffnete Fenster in OmniFocus. Dort wird dann eine Art Zuordnungstabelle geöffnet, in der Sie die Spalten aus OmniOutliner denen in OmniFocus zuordnen können. So kommen die Termine aus der gleichnamigen Spalte dann in die entsprechende Spalte in OmniFocus (zum Beispiel „fällig“). Das ist flott und erspart Tipparbeit. Falls Sie mehrere Geräte mit OmniFocus synchronisieren, werden die neuen Aufgaben umgehend auf allen Geräten abgeglichen. Zusammengefasst Die Testversion gibt es nur bei der Omnigroup selbst, da der Mac App Store dafür bedauerlicherweise keinen Platz bietet. Kosten: OmniOutliner 4: ca. 50 USD, die erweiterte Pro-Version kostet ca. 75 USD. Familien (nicht Unternehmen und Schüler/Studenten und Bildungseinrichtungen) legen für 5 Lizenzen knapp 100 USD bzw. 150 USD auf den Tisch. Upgrades von anderen Versionen sind natürlich günstiger. Im vorangehenden Text habe ich keine weiteren Eindrücke zu neuen Funktionen oder der Benutzeroberfläche geschildert. Wie das aussieht und was das Neue an OmniOutliner 4 ist, stellt die Omnigroup selbst auch ganz brauchbar dar. Um sich den Film anzusehen, müssen Sie auf das Bild unten klicken (Obacht: englisch). Ansonsten empfiehlt es sich gerade bei solchen Werkzeugen, die man häufiger verwenden möchte, eine Testversion zu zu holen und selbst auszuprobieren. Wie es bei guten Programmen auf dem Mac seit 30 Jahren üblich ist, stecken die meisten Raffinessen im Detail, während die Oberfläche eher unscheinbar ist. Das ist ein Qualitätsmerkmal. Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … appseits notesOmnifocusOmnioutlinerproduktivitaetProjektmanagement
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