Tech docs don’t sell 30.03.201818.04.2018 Es gab eine Zeit (noch im letzten Jahrtausend), da wurden für die Technikredaktion vor allem Techniker gesucht, Leute, die aus der Praxis kamen und für die Praxis schreiben sollten. Das ist lange her. Jetzt geht es mehr um die Selbstdarstellung. Natürlich – mag man eher philosophisch einwenden – in einer Zeit, in der die meisten Menschen vornehmlich sich selbst fotografieren („Das bin ich beim Nasebohren!“…) und dann der Menschheit damit einen Gefallen tun möchten, indem sie ihr Konterfei online zur gefälligen Betrachtung stellen, ist es kein Wunder, wenn auch Unternehmen, die sich aus wirtschaftlichen Gründen präsentieren müssen, dies mit ihren technischen Dokumenten machen. Das ist aber vielleicht zu weit gesprungen. Unternehmen, die Produkte verkaufen, sind an die marktwirtschaftlichen Regeln gebunden: sie stellen etwas her, das sie verkaufen und von den Einnahmen werden neue Produkte hergestellt, die wieder verkauft werden. So schlicht. Dabei ist es vor allem wichtig, dass die Kosten geringer sind als die Einnahmen (das unterscheidet sie von staatlichen Einrichtungen und eingetragenen Vereinen), sie also einen Gewinn erwirtschaften. Demzufolge fällt die Technikredaktion, die ja Geld kostet aber keines erwirtschaftet, in die Kategorie „Kostentreiber“.1 Wenn aber klassischerweise die Technikredaktion, weil sie nun mal die fachliche Kompetenz der Techniker besitzen sollte, an die Konstruktion oder die Fertigung angebunden ist, sitzt diesen Abteilungen eine Kostenlaus im Pelz. Konstruktion, Entwicklung und Fertigung zählen nämlich betriebswirtschaftlich zu den Unternehmensteilen, die Geld erwirtschaften – und damit die anderen Abteilungen wie Vertrieb und Personalwesen durchfüttern. Technikredakteure verwässern den Output. Für die Unternehmensleitung wird es dann nämlich schwierig zu erkennen, ob der Wert des Produkts (und damit auch sein Preis) nun an der aufwändigen Herstellung oder an der teuren Dokumentation lag: beides kommt ja aus der Produktion. Da liegt es nahe, die kostentreibenden Abteilungen des Unternehmens, die sich sowieso auf die eine oder andere Art mit der Kommunikation nach außen beschäftigen, in einen Topf zu werfen: Technikredaktion und Marketing, Anleitungen und Außendarstellung. Es ist daher vermutlich weitaus profaner als es der Trend zur digitalen Selbstvermarktung nahelegt (Selbstbildnisse sind einfach wesentlich älter als Selfies). Diese Umschichtung innerhalb des Unternehmens – weg von der fachlichen Kategorisierung hin zur betriebswirtschaftlichen – hat allerdings Konsequenzen. Bislang waren die Marketingabteilungen nicht nur für die teureren Duftwässerchen und den besseren Kaffee bekannt, sondern auch dafür, die Außenwirkung des Unternehmens möglichst positiv erscheinen zu lassen. Werbebilder für Akkuschrauber wurden mit leicht bekleideten Damen „garniert“, auf breiten Reifen räkelten sich Bikini-Girls und auch auf Messen quälte die Damenwelt 16 Stunden ihre Füße mit hochhackigen Schuhen, während die Männer beim Bier fachsimpelten… Wie und wo passt da ein Technikredakteur hinein?2 Eigentlich gar nicht. Denn der klassische Technikredakteur ist darauf geschult, den Benutzer über die Funktionen und Anwendungsmöglichkeiten des Produkts zu informieren – und das möglichst neutral („Klicken Sie einfach auf Setup.“ ist ein No-go, schon weil der Schreiber ja nicht weiß, ob es für den Benutzer einfach oder schwierig ist). Er soll nicht die positiven Aspekte herausstellen und er soll auch nicht jedesmal das Rad neu erfinden für eine Wartungsanleitung. Was im Marketing von Übel ist, ist für den Technikredakteur Pflicht: Wiederholungen, Gleichförmigkeit, Emotionslosigkeit … Das führt inhaltlich gerne zu Reibungen, weil der Technikredakteur damit ständig gegen die geschriebenen oder ungeschriebenen Gesetze der Verkaufspsychologie verstößt und verstoßen muss. Aber es gibt noch einen zusätzlichen Konfliktherd: die Ausrichtung der Abteilung auf die optische Wirksamkeit bewirkt eine gewisse Ignoranz gegenüber den inhaltlich orientierten Absichten der Technikredaktion. Modularität und Strukturierung sind für den Verkauf und die Darstellung des Produkts oder des Unternehmens kein Thema. Dieser Bereich ist im Marketing häufig terra incognita. Und entsprechend gering ist die Neigung, in diesen Bereich zu investieren – braucht man ja nicht. Da werden Sicherheitshinweise für jedes Dokument in jeder Sprache manuell zusammengebastelt, oder man verzichtet auf normenkonforme Informationen, weil sie nicht mehr auf die Seite passen und der Umbruch so hässlich aussieht. Oft bleibt dem Technikredakteur dann nur noch der Wink mit Gesetzen und Normen, um wenigstens die elementaren Anforderungen an eine Anleitung umsetzen zu dürfen, obwohl ja eigentlich der Kundennutzen im Vordergrund stehen sollte. Das kann frustrierend sein – und ist es oft auch. Denn wo man früher gegen die ausschließliche Ausrichtung auf seitenlange Produkttabellen ohne Informationsgehalt für den Nutzer ankämpfte, sieht sich der Technikredakteur jetzt oft zu einem Werbetexter mit technischen Kenntnissen umfunktioniert. Und im Gegensatz zu Marketingbroschüren mit leicht bekleideten Damen verkauft sich die nüchterne Anleitung nur sehr schlecht. Wir sollten als Technikredakteure dennoch nicht aufgeben, denn gerade in punkto Wissens- und Informationsmanagement haben wir einen enormen Wert. Den können wir einbringen. Wenn sich schon die Dokumentation schlecht verkauft, müssen wir es ja nicht tun… Bildquelle: http://www.precimeca.com/medias/images/pneus-pl-.jpg Man könnte ja auch das Produkt verschenken und für dessen Bedienungsanleitung Geld verlangen – aber auf die Idee kommen nur Open-Source-Idealisten. ↩Ich habe nichts gegen freundliche und zuvorkommende Menschen – wenn sie dabei auch gepflegt daherkommen stört das nicht. ↩Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … redaktion technische dokumentation ArbeitsweltMarketing
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