Durchs wilde Blåbæristan 20.08.201901.03.2024 Nach unserer Radreise entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze im letzten Jahr wagten wir uns ein kleines Stück aus der Komfortzone Mitteleuropas heraus. Diesmal nach Skandinavien, genauer: nach Norwegen. Auch wenn Norwegen in manchen Reiseführern als das Eldorado der Outdoor-Freaks gilt (durchaus zu Recht), so ist damit das Skifahren in der Telemark und vor allem das Wandern entlang der Fjorde und in der Hardangervidda gemeint. Radfahren zählt aus gutem Grund nicht dazu. Dazu später mehr. Klimatisch gesehen ist Norwegen nicht nur ein skandinavisches Land mit kurzen Sommern, langen Wintern und extrem langen Sonnenauf- und ‑untergängen, sondern auch deutlich vom Golfstrom bestimmt. Es ist ein feuchtes Land mit vielen Seen und – dank der Eiszeit – mit vielen beeindruckenden Felsen und schroffen Steigungen. Da sich das Land über die gesamte skandinavische Ostküste erstreckt, bedeckt es zwar von Nord nach Süd mehr als 1500 km, aber nur eine Zeitzone. Außerdem steigt es von Westen kommend steil bis auf 1300 m an, fällt aber Richtung Schweden gemächlich ab. Der vom Eis ausgeschabte Granit lässt kein Wasser durch, so dass es an der Oberfläche nach Westen in zahllosen Wasserfällen abläuft und im Osten in entsprechend vielen Seen und Sümpfen zusammenläuft. So viel zum Setting. Die geografischen Eigenheiten im Blick hatten wir zuerst überlegt, entlang der nationalen Fahrradroute von Oslo über Kristiansand nach Bergen zu radeln und dann von dort aus mit der Bahn zurück nach Oslo. Dann aber stellten wir fest, dass wir damit den Besonderheiten Norwegens nicht gerecht wurden: der Einöde der Hardangervidda und den typischen Stabkirchen Norwegens. Letztere liegen nämlich zumeist im Landesinneren. Das hätte unsere Tour zeitlich so in die Länge gezogen, dass es mit den geplanten zweieinhalb Wochen vorne und hinten nicht gereicht hätte.1 So beschlossen wir, den direkten Weg zu nehmen: von Oslo nach Bergen quer durchs Land. Das allerdings hat ganz eigene Tücken, denn damit vervielfacht sich die Menge der zu bewältigenden Höhenmeter, auch wenn die Strecke deutlich kürzer wird. Wer einmal mit einem vollgepackten Reiserad mit Zelt, Isomatte, Schlafsack, Kocher, Wäsche, Werkzeug und Verpflegung unterwegs war, der weiß, dass damit jede Steigung doppelt so steil wird und dreimal so lange dauert. Die Fahrradnavigation2 wies demzufolge statt der 1300 km für unten herum „nur“ 550 km aus – dafür aber mit 8000 Höhenmetern, die es zu bewältigen galt. Vieles davon auf Schotterstrecke und entlang stark befahrener Straßen. No pain, no gain Norwegen ist außerhalb des Großbereichs um Oslo ein menschenleeres Land. Ohne nach Oslo hineinzufahren, begannen wir die Reise direkt ab Hotel von Gardemoen im Nordosten Oslos aus.3 Norwegen hat ein sehr fortschrittliches Sozialsystem, in dem der Staat dank – pun intended – sprudelnder Einnahmen aus den Erdölvorkommen dafür sorgt, dass der „Index der menschlichen Entwicklung“ (Human development Index) zu den höchsten weltweit zählt, leider aber die Infrastruktur des Straßen- und Wegenetzes auf dem Stand der Siebziger Jahre des letzten Jahrtausends stehen geblieben ist: es wird alles über die Straßen bewegt. Busse fahren im ländlichen Raum fast gar nicht, die Eisenbahn ist (auch aufgrund der zahlreichen kostspieligen Tunnel) oft eingleisig und Radwege sind extrem selten. Selbst wenn Fahrradrouten ausgeschildert sind, ähneln sie oft mehr Feldwegen und Schotterpisten als das, was man sich in Mitteleuropa unter „Radwegenetz“ vorstellt. An den Straßen ist darüber hinaus kein Seitenstreifen vorhanden, so dass man sich als Radfahrer die wenigen geteerten Straßen mit dem gesamten Personen- und Schwerlastverkehr teilen muss. Dafür sind Norweger ein sehr freundliches und praktisches Völkchen, die auch auf die langsamen Radfahrer Rücksicht nehmen und wenn möglich großräumig überholen. Wir mussten uns daran gewöhnen, einfach in Richtung Hønefoss loszufahren und darauf zu vertrauen, dass die Kraftwagenfahrer nicht auf einem Recht des Stärkeren beharrten. Taten sie auch nicht. Aber dieser Zustand hat auch die Kehrseite, dass selbst Norweger nur ungern aufs Rad steigen, selbst wenn es eine kurze und ebene Strecke ist.4 Da wir sowieso für die Fahrt Proviant benötigen, bogen wir in Maura von der lauten E16 ab und überließen der Navi-App die Aufgabe, eine Nebenstrecke zu finden. Was sie auch tat. Leider endete die Strecke auf einem grob geschotterten Waldweg, der von der Hauptstraße durch einen hohen Zaun (wegen der Wildwechsel) getrennt war. Das bremste uns natürlich zusätzlich aus, denn für Schotterpisten gelten die Regeln der Fußgänger: Treppen erst ab Steigungen von über 100%. Wir mussten daher die schweren Räder schieben (was auf der Reise noch häufiger vorkam und eine neue Variante des Begriffs „Radwandern“ einführte). Als „Sahnehäubchen“ der Streckenführung verschwand der Weg letztendlich vollkommen, so dass wir die schweren Räder über mehrere Kilometer knietief durch Sumpf und Morast schieben und fluchend zur Weiterbewegung motivieren mussten. Norwegen ist das Land der Blaubeeren, die sich quadratkilometerweise über den Waldboden erstrecken und uns pfundweise zur Verfügung standen. Wir kamen dadurch nicht mehr bis Hønefoss, sondern erreichten am ersten Abend den Campingplatz bei Sløvika. Aber das Wetter war uns hold, denn es herrschten fast mediterrane Temperaturen. Und das blieb auch so am nächsten Tag, als die Steigungen merklich anzogen. Leider baut man in Norwegen die bequemen und schnellen Verbindungen nur für Autos. Besonders im Landesinneren kann man motorisiert auf recht flachen Straßen die Berge dadurch nicht nur über‑, sondern vor allem unterqueren: die Norweger sind Meister des Tunnelbaus. Mit diesem Wissen bohren sie sich nicht nur horizontal durch jeden Felsen, sondern auch vertikal auf der Suche nach Öl.5 Allerdings bohren sie damit kilometerlange Tunnel nicht für Fahrräder oder Fußgänger. Unmotorisierte Verkehrsteilnehmer müssen einen „Bypass“ benutzen, der um die Berge herum oder oben drüber führt. Bypässe dieser Art sind oft nicht mehr als Wanderwege mit streckenweise extremen Steigungen. Fast unberührte skandinavische Landschaft. Norwegen erzeugt einen Großteil seines Stroms aus kleinen dezentralen Wasserkraftwerken, daher ziehen sich die Stromleitungen schweigend durch alle Täler. Auf diese Art Hindernis stießen wir gegen Mittag des zweiten Tages. Es wurde steil und steinig bei sommerlichen Temperaturen. Wir erreichten am Abend Stavn auf einem kleinen Campingplatz und beschlossen – nicht zum letzten Mal – eine erneute Planänderung.6 Wir würden im Norden hinter Flåm nicht versuchen, wie ursprünglich gedacht, nach Kaupanger überzusetzen, sondern ab Gudvangen direkt nach Voss weiterfahren. Das würde uns zwar ein paar Stabkirchen am Sognefjord kosten (Borgund und Kaupanger), aber dafür gegebenenfalls noch Zeit lassen von Bergen aus Richtung Stavanger zu radeln und die Fähre zurück zu nehmen. Am dritten Tage… Auch am dritten Tag herrschte sommerliches Wetter – zumindest bis zum Mittag. Denn hinter Gol zog es zu. Diesmal hatten wir jedoch keine nennenswerten Streckenprobleme wie in den ersten beiden Tagen, sondern erreichten Ål zu einer vernünftigen Tageszeit und konnten die beiden Zelte im Trockenen aufbauen, bevor es zu schütten begann. Glücklicherweise ließ der Regen in den frühen Morgenstunden des vierten Tags nach, so dass wir die Zelte fast völlig trocken zusammenpacken konnten. Unsere Zelte halten zwar einen Dauerregen von 24 Stunden problemlos aus (wie wir noch feststellen mussten), sobald man sie jedoch nass zusammenpackt, kommt die äußere nasse Plane mit dem trockenen Innenzelt in Berührung und das Zelt feuchtet durch, so dass man in der folgenden Nacht seine Isomatten und damit die Schlafsäcke in ein feuchtes Zelt legen muss – was der Schlafqualität natürlich erheblich Abbruch tut. Mit dem Camping ist dann vorbei. Der vierte Tag führte uns dann über Geilo (das spricht man „Jeylo“ aus) nach Haugastøl, dem Eingang zum Radweg „Rallervegen“ entlang der Eisenbahntrasse nach Bergen durch die Hardangervidda. Da es immer wieder regnete, beschlossen wir, die Nacht in einem Gastraum im einzigen Gasthaus des „Ortes“ zu verbringen. Haugastøl ist nämlich nur eine Eisenbahnhaltestelle mit Fahrradverleih, da viele aus- und inländische Touristen sich hier Fahrräder leihen, um damit über Finse nach Myrdal zu radeln, manchmal mit einer Übernachtung in Finse, das etwa 30 km entfernt liegt. In die Hardangervidda Die Hardangervidda liegt zwar geografisch südlich des Polarkreises, ist aber aufgrund ihrer ausgesetzten Lage und der Höhe klimatisch eigentlich der südlichste Punkt des Polarkreises. Sie wird deswegen im Winter gerne als Übungsgelände für Polarforscher benutzt. Der erste Schnee fällt hier meist schon Ende August und erreicht im März problemlos mehrere Meter Höhe. Der Rallervegen auf der Hardangervidda folgt dem Verlauf der Bahntrasse nach Bergen, hat aber wegen der fehlenden Tunnels viel mehr Panorama zu bieten. Um von Oslo über diesen kargen und eiszeitlichen Höhenzug eine Eisenbahntrasse nach Oslo zu bauen, richtete man Anfang des letzten Jahrhunderts entlang des geplanten Verlaufs Unterkünfte für die Arbeiter ein. Nach Fertigstellung der Trasse (eine meisterhafte Ingenieursleistung, denn man fährt im Minutentakt durch Tunnels) wurden die kleinen Weiler von den Familien bewohnt, deren Angehörige mittlerweile in erster Linie vom Tourismus leben. Zwar führt die Trasse und damit auch der Rallarvegen nach Myrdal am eigentlichen Nationalpark Hardangervidda vorbei, aber angesichts der fast menschenleeren Landschaft fällt das kaum ins Gewicht. Für Radfahrer problematischer ist der Zustand der Wege, die sich am besten mit dem Mountainbike bewältigen lassen, denn selbst wenn es hier oben kaum nennenswerte Steigungen gibt, sind die Wege trotz ständiger Ausbesserung oft ausgewaschen oder nur mit groben Steinen befüllt und stellen ziemlich Anforderungen an Fahrer und Material. Die Plackerei wird aber mehr als aufgewogen durch die überwältigende Landschaft, die scheinbar unberührt seit dem Rückzug des letzten Eises vor 8000 Jahren immer noch wie eine Mischung aus postglazialer Natur und alpinen Matten aussieht. Der König der Vidda: der Hardangerjøkulen, ein Plateaugletscher, der auch Drehort für Episode V aus „Star Wars“ war (als Eisplanet Hoth). Fjordwärts In Myrdal kreuzen sich die beiden Eisenbahntrassen der Flåmbanen in Richtung Norden hinunter zum Sognefjord und der Bergenbanen in Richtung Bergen. Hier ist auch ein entsprechend hohes touristisches Aufkommen, denn einerseits nutzen die Kreuzfahrttouristen, die das kleine Dorf Flåm anfahren, Myrdal als Ziel eines Tagesausflugs, andererseits steigen hier zahlreiche Wanderer ein und aus, die von und nach Bergen fahren. Myrdal an sich liegt allerdings auch sehr spektakulär oberhalb des Tals, das nach Flåm führt. Der Radweg (und auch die Bahn) müssen auf diesem Weg mehrer hundert Höhenmeter innerhalb von einem Kilometer Luftlinie überwinden. Für die ganz mutigen gibt es sogar eine ebenso lange Seilrutsche ins Tal… Touristisch gut erschlossen: der Weg zwischen Myrdal und Flåm Im Tal wartet dann allerdings neben einer Käserei mit unterschiedlichen Ziegenkäsesorten eine gemächliche und ruhige Fahrt ins nahegelegene Flåm, dem beinahe schon unwirklichen Anlaufpunkt zahlreicher Touristen – vor allem aus Deutschland, den USA und China. Fjorde haben die Eigenschaft, dass die hohen und engen Täler einerseits den Atlantikwind abhalten, und andererseits mehrere hundert Meter tief sein können. Das hat zur Folge, dass die Wikinger damals ihre hochseetüchtigen Boote mit Rudern ausrüsteten (was ihnen auch bei Raubfahrten sehr zugute kam, denn damit konnte man auch küstenferne Städte wie Köln überfallen), andererseits aber heutzutage selbst die größten „Pötte“ der Seeschifffahrt bis an den Kai fahren können. Kleine Orte wie Flåm machen sich das zunutze, denn bisher konnte man dort von dem doch sehr bescheidenen Bodenertrag nicht leben – umso mehr aber von den Touristen, deren Geldbeutel ob der großartigen Fjordlandschaft sehr locker sitzt. Im Hafen hat sich daher eine typische Fremdenverkehrswirtschaft etabliert, die vor allem auf die Tagesbesucher spekuliert: die Passagiere schlafen an Bord, schlurfen einmal über die Landungsbrücke, kaufen Pullover, bedruckte Tassen oder Mützen und werden Abends wieder platzsparend in den schwimmenden Bettenburgen gestapelt. Der größte Transatlantikliner der modernen Seefahrt, die Queen Mary 2, wirkt gegen die gigantischen Felsen des Fjords doch etwas mickrig… Da das Wetter am folgenden Tag noch regnerisch aussah, was der anstehenden Fjordpassage mit der Fähre die besten Aussichten geraubt hätte, beschlossen wir, trotz der wenig heimeligen Umgebung eine zweite Nacht in Flåm zu verbringen und dem Tag eine Fahrt mit dem Bus nach Borgund zur dortigen Stabkirche zu spendieren. Eine kluge Entscheidung, denn es klarte nicht nur an unserem „freien“ Tag in Borgund auf, sondern blieb auch so am folgenden Tag. Der Begriff „freier Tag“ ist allerdings arg überstrapaziert, denn letztendlich hatten wir etwa anderthalb Stunden für Borgund, da der einzige Bus, der nach Borgund fährt, bereits 90 Minuten später auf der Rückfahrt dort wieder vorbeikommt. Der ÖPNV in Norwegen hat noch sehr viel Luft nach oben… Die Stabkirche von Borgund aus dem 12. Jahrhundert. Die Kirche steht zwar auf einem Granitstein-Fundament, das Gestein eignet sich wegen seiner kristallinen Struktur aber nicht zum Bau von Kirchen. Da es anderes in Norwegen nicht gibt, hat man eine hohe Fertigkeit im Bau von Holzhäusern entwickelt, die in Ständerbauweise erstellt werden (wie die Regale eines bekannten schwedischen Möbelhauses). Die „stave“ der Stavkerk sind senkrechte Holzpfosten, die nur mit Holzkreuzen und ‑elementen verzapft und verdübelt sind. Aus Gründen der Haltbarkeit werden die Kirchen regelmäßig mit Birkenrindenteer bestrichen und erhalten so ihre charakteristische Färbung und den Geruch. Dafür wurden wir am folgenden Tag aber mit einem Highlight der Fährtechnik befördert: die Personenfähre „Future of the Fjords“, die uns und die Räder nach Gudvangen bringen sollte, wird komplett elektrisch betrieben – was den Aufpreis zur klassischen Überfahrt auf jeden Fall wert ist. Fast lautlos durch die majestätische Fjordlandschaft zu gleiten, ist ein Hochgenuss sondergleichen. Die Fähre nach Gudvangen nimmt sich im Fjord etwas bescheiden aus. Da wir in Gudvangen recht früh am Nachmittag ankamen, beschlossen wir, auch gleich die „nur“ 50 km nach Voss zu radeln – vor allem auch, da die Bremsbeläge unter den steilen Abfahrten arg gelitten hatten und ausgetauscht werden mussten. Diese „nur“ hatten es allerdings in sich, denn wir mussten dazu fast 500 Höhenmeter überwinden, um aus dem Fjord herauszukommen, mit Steigungen (auf der Ausweichstrecke) von bis zu 25%… Regenhauptstadt Nachdem wir am folgenden Tag in Voss bei zunehmend wechselhaftem Wetter die Bremsbeläge gewechselt hatten, stießen wir auf der Weiterfahrt über Arna nach Bergen auf eine kleine Besonderheit norwegischer Infrastruktur: bei Stanghelle wird der Vaefjord so eng, dass man die Straße entlang des Ufers „durch die Wand“ leiten muss, sprich: tunnelt. Dummerweise bedeutet das auch, dass es keinen Weg drüber oder vorbei gibt, um mit dem Rad bis Takvam zu kommen, wo das Ufer wieder breiter wird. Es gibt keinen Bypass – und Tunnelfahren ist verboten. Für diesen Abschnitt mussten wir auf die Bahn umsteigen, die aber offiziell nur sehr wenige Fahrradstellplätze hat, so dass wir uns innerlich schon darauf vorbereiteten, wie auch in der Hardangervidda vom „Jedermannsrecht“ Gebrauch zu machen und wild zu zelten. Allerdings wollten wir es mal auf die „kackdreiste“ Art probieren und schoben unsere Räder ohne Fahrscheine einfach in den Zug, wo wir sie in den Gang quetschten, bis der Schaffner kam. Statt uns aber nun – wie es deutsche Art gewesen wäre – uns bei der nächsten Haltstelle aus dem Zug zu werfen (auch damit wäre wir um die Tunnel herum gekommen, allerdings bei Dunkelheit im Regen gestanden), bat er uns, die Räder so zu stellen, dass die Passagiere ein- und aussteigen können und ließ uns gegen den Kauf der Fahrkarten auch bis Arna mitfahren. Auch wenn wir damit ein paar Kilometer gut gemacht hatten, schützte es uns nicht vor dem Wetter, denn es hatte sich mittlerweile eingeregnet, so dass wir die Nacht hinter Arna zwar auf einem Zeltplatz verbrachten, aber die Stellwiese dabei komplett „landunter“ war: knöcheltiefer Morast nach einer Nacht pausenlosen Regens. Und wie es kübelte! Die Sicht betrug teilweise nur noch weniger als hundert Meter, als die Tiefs miteinander Fangen spielten und es Liter um Liter auf das Zelt goß. Dieses blieb in der Nacht zwar dicht, aber wer einmal gezeltet hat im Regen, weiß, dass ein Zelt, einmal nass zusammengelegt, nicht mehr benutzbar ist, denn dann dringt die Feuchtigkeit in den Innenraum. Wir zogen daher am nächsten Tag um in eine nur wenige Kilometer entfernte „Hytta“, wo wir versuchten, die Zelte zu trocknen, während wir den freien Nachmittag dazu benutzten, „über den Hügel“ nach Bergen zu radeln – ohne Gepäck. Die „Brygge“ (Landungsbrücken) in Bergen. Dank aufwändiger Restaurierung sehen sie wieder fast so aus wie im Mittelalter, als hier die Koggen der Hanse anlegten, um von Bergen aus mit dem norwegischen Hinterland Handel zu treiben. Dank seiner Lage ist Bergen auch im Mittelalter für die Hanse der größte nördliche Umschlagplatz für Waren aller Art gewesen. Der Wirkungskreis der Hanse als eine Art Vorläufer von Amazon umfasste neben Norwegen, der britischen Küste, der Nordseeküste und der Ostsee auch Niederlassungen im Landesinneren, im Rheinland ebenso wie in Russland. Das Handelsnetz bot den zusammengeschlossenen Händlern viele Vorteile, unter anderem stabile Wechselkurse, planbare Absatzmärkte, zuverlässige Handelspartner und ein hocheffizientes Transportsystem mit Hilfe der Koggen, die mit geringen Personalkosten riesige Mengen an Gütern aller Art befördern konnten. In Bergen lagen die großen Kontore daher direkt an den Landungsbrücken und konnten wegen ihrer langgestreckten Bauweise sehr rasch be- und entladen. Von Vorteil war neben der geschützten Lage in Bergen dabei auch die Tatsache, dass der Hafen aufgrund des Golfstroms das ganze Jahr über eisfrei ist – allerdings zu einem Preis: Bergen ist die europäische Regenhauptstadt. Es gibt keine europäische Großstadt, in der es so viel regnet wie in Bergen. Abschluss Das bekamen auch wir zu spüren, weshalb wir beschlossen, die restlichen Tage unseres Urlaubs nicht wie gedacht an der Westküste nach Stavanger zu radeln, sondern den Zug zurück nach Oslo zu nehmen, in Drammen auszusteigen und über Kongsberg nach Heddal zu radeln. Die Bilder dazu sind auch in der Bildergalerie: in Bild anklicken und die Diashow genießen. So wie wir Norwegen genossen. Diashow Bei einer Streckenplanung gibt es mehrere Unbekannte, die es nicht erlauben, „auf Kante zu nähen“: Das Wetter, technische Defekte und Infekte können eine Reise so verzögern, dass man in Zeitnot gerät und aus einem Urlaub eine Hetzjagd wird. ↩Wir haben für diese Reise der App Komoot den Vorzug gegeben, da sie sehr gut beim Planen der Strecke ist. – Die App wird in einem der kommenden Beiträge hier vorgestellt werden. ↩Da wir unsere Räder verpackt mitgebracht hatten, benötigen wir für die erste und letzte Nacht ein Hotel, in dem sich die Fahrradkartons verstauen ließen. ↩In den Städten wie Bergen, Drammen oder Oslo ist es nicht viel besser. Dort beginnen und enden Radwege unvermutet und wechseln sehr häufig die Fahrbahnseite. ↩Wer jetzt an die Zwerge aus Tolkiens Erzählungen denkt, liegt so falsch nicht, auch wenn in Norwegen die Männer deutlich von den Frauen unterscheidbar sind. Letztere haben keine Bärte… ↩Auf Radtouren, bei den die tägliche Streckenleistung nur schwer abschätzbar ist, muss man immer damit rechnen, dass man die Route ändert, um dem täglichen Tagespensum Genüge zu tun. Es gibt nichts schlimmeres, als auf einer Radreise zwanghaft an einer einmal geplanten Strecke festzuhalten und dabei sein Nervenkostüm („Schneller, sonst kommen wir nicht an!“), sondern auch seine Gesundheit zu ruinieren – denn auf Dauer fährt man damit über seinem Limit, was sich der Körper nicht lange gefallen lässt. ↩Teilen mit:MastodonWhatsAppE‑MailMehrDruckenLinkedInTelegramPinterestGefällt mir:Gefällt mir Wird geladen … Radreise unterwegs NorwegenRadreiseReisen
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